Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, dass die Wirtschaftsfähigkeit nicht allein wegen mangelnder Altersreife ausgeschlossen ist (§ 6 Abs. 6 S. 2 HöfeO), bedarf insb. im Hinblick auf die Nachwuchssorgen in der Landwirtschaft einer zurückhaltenden Auslegung. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass ein als Hoferbe in Betracht kommendes Kind diese Aufgabe auch übernimmt.
Es reicht daher nicht, wenn bei einem knapp dreijährigen Kind nicht ausgeschlossen werden kann, dass es in die Landwirtschaft hineinwächst. Erforderlich ist angesichts der Unabänderlichkeit der gerichtlichen Entscheidung die positive Prognose, dass zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine spätere Bewirtschaftung des Hofes durch das Kind zu erwarten ist.
Normenkette
HöfeO § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 6 S. 2
Verfahrensgang
AG Aurich (Beschluss vom 18.01.2008; Aktenzeichen 8 Lw 2/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Landwirtschaftsgericht - Aurich vom 18.1.2008 aufgehoben.
Das AG wird angewiesen, der Antragstellerin ein Hoffolgezeugnis zu erteilen, das sie als Erbin des im Grundbuch von ... verzeichneten Hofs nach dem am 10.12.2007 verstorbenen Landwirt H. F. ausweist.
Gründe
I. Der Erblasser war zum Zeitpunkt seines Todes mit der zu 1) beteiligten Antragstellerin verheiratet. Außer seiner Witwe hat er das zu 2) beteiligte, am 14.1.2005 geborene gemeinsame minderjährige Kind R. hinterlassen. Die Beteiligte zu 3) ist die Schwester des Erblassers.
Zum Nachlass gehört der im Rubrum genannte Grundbesitz zur Größe von 16.4724 ha. Er war zum Zeitpunkt des Erbfalls bei einem zuletzt festgesetzten Wirtschaftswert von 14.975 DM als Hof im Sinne der HöfeO im Grundbuch eingetragen. Der Hof wurde von dem Erblasser bis zu seinem Tod als Milcherzeugungs- und Bullenmastbetrieb bewirtschaftet. Daneben war der Erblasser als Milchleistungsprüfer im Angestelltenverhältnis beim Milchkontrollverein Holtrop-Middels beschäftigt.
Die Antragstellerin hat beantragt, ihr ein Hoffolgezeugnis zu erteilen. Eine Hoferbfolge des zum Zeitpunkt des Erbfalls zweijährigen und zu 2) beteiligten gemeinsamen Sohnes der Eheleute F. hat sie ausgeschlossen, weil er aufgrund seines Alters nicht wirtschaftsfähig sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 2) als Sohn des Erblassers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 6 HöfeO in Bezug auf den hofgebundenen Nachlass vorrangig vor seiner Mutter zum Hoferben berufen sei.
Gegen diesen ihr am 28.1.2008 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 11.2.2008 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Hoffolgezeugnisantrag weiter verfolgt.
Im Rahmen des Abhilfeverfahrens hat das Landwirtschaftsgericht zu 3) die Schwester des Erblassers (= nachrangige Hoferbin nach § 5 Nr. 4 HöfeO) am Verfahren beteiligt und für den zu 2) beteiligten Sohn des Erblassers die Bestellung eines Ergänzungspflegers veranlasst.
Die Antragstellerin stellt die Wirtschaftsfähigkeit ihres Sohnes R. in Frage. Es sei nicht zu erwarten, dass ihr Sohn aufgrund seiner Erziehung, entsprechender Umwelteinflüsse oder noch zu entwickelnder Neigungen jemals in die Landwirtschaft "hineinwachsen" werde.
Für die Zukunft sehe sie aus wirtschaftlichen Gründen keine Möglichkeit und auch keinen Sinn darin, den Hof als Eigenbetrieb oder verpachtungsweise weiterzuführen. Dies wolle sie auch nicht. Die Gebäude befänden sich - bis auf den in den neunziger Jahren erstellten Maschinenschuppen - im Zustand der Erbauung im Jahr 1933. Die technischen Einrichtungen seien überaltert und könnten mit den realistisch zu erwartenden Erträgen nicht modernisiert werden. Eine sinnvolle Fortführung des Hofes als Milch- und Bullenmastbetrieb sei nicht möglich, weil das denkbare Bewirtschaftungseinkommen unter Berücksichtigung der Belastungen (u.a. Altenteilslast und Instandsetzungsaufwendungen von jeweils 500 EUR/mtl.) zum Erhalt des Hofes nicht ausreiche. Deshalb mache es auch keinen Sinn, den Hof durch Dritte bewirtschaften zu lassen, bis ihr Sohn (theoretisch) zu einer Übernahme in der Lage sei. Bei diesen Gegebenheiten könne nicht erwartet werden, dass ihr Sohn einmal "in die landwirtschaftliche Berufstätigkeit hineinwachsen" werde.
Der Beteiligte zu 2) ist durch seinen Ergänzungspfleger dem Beschwerdevortrag entgegengetreten. In Übereinstimmung mit der Beteiligten zu 3) hält er sein "natürliches Hineinwachsen in die landwirtschaftliche Berufstätigkeit" für hinreichend wahrscheinlich.
Die Beteiligte zu 3) unterstützt diese Vorstellung. Sie weist darauf hin, dass die Eltern der Antragstellerin pachtweise einen Hof bewirtschaften, der im Eigentum der Großeltern steht. Es sei auch angedacht gewesen, dass der Erblasser und seine Ehefrau diesen Hof einmal bewirtschaften und auch erben sollten. Landwirtschaftliche Bezüge habe auch sie, die Beteiligte zu 3), die mit ihrem Ehemann einen Hof bewirtschaftet. Schließlich bewirtschaften bzw. bewirtschafteten auch der Brude...