Leitsatz (amtlich)
1. Für Beschwerden gegen Entscheidungen des Landwirtschaftsgerichts über Einwendungen gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts gilt eine Beschwerdefrist von 2 Wochen.
2. Ist in einem landwirtschaftlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Rechtsmittelbelehrung inhaltlich fehlerhaft (hier: Angabe einer falschen Rechtsmittelfrist), kommt auch bei einer anwaltlichen Vertretung die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 9 LwVG, 17 FamFG in Betracht.
Die Ursächlichkeit der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung für die Fristversäumung kann hier nicht verneint werden, wenn der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte von der Richtigkeit der in der Rechtsmittelbelehrung genannten Rechtsmittelfrist ausgegangen ist.
Die Verschuldensvermutung nach § 17 Abs. 2 FamFG ist widerlegbar.
Sie kann bei fehlerhafter Angabe der Rechtsmittelfrist in der gerichtlichen Rechtsmittelbelehrung nur dann als widerlegt angesehen werden, wenn die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Angaben für den Rechtsanwalt ohne weiteres, also auch ohne nähere Rechtsprüfung, erkennbar war und insoweit von einem seitens des Gerichts gesetzten Vertrauenstatbestand nicht ausgegangen werden kann.
3. Für die Erteilung oder Verweigerung der Grundstücksverkehrsgenehmigung nach § 9 GrdstVG und eine daran anzuknüpfende Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts nach § 4 Abs. 1 RSG kann auch ein Vorhaben eines Naturschutzverbandes privilegiert und den Erwerbsinteressen eines dringend aufstockungsbedürftigen Landwirts gleichzustellen sein. Es wird dabei offen gelassen, ob dazu stets erforderlich ist, dass das Umweltschutz- oder Naturschutzprojekt mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. In jedem Fall muss der Naturschutzverband ein nachweisbares Kauf- oder dringendes Aufstockungsinteresse für ein konkretes Umweltschutz- oder Naturschutzprojekt haben, konkrete Vorbereitungen zur Durchführung eines solchen Projekts getroffen haben und die Realisierung des Projekts muss zu erwarten sein. Allein die Absicht, die zu erwerbenden Grundstücksflächen an Landwirte unter Naturschutzauflagen zu verpachten, reicht nicht aus.
Normenkette
FamFG § 17 Abs. 2; RSG § 10; GrdstVG § 9
Verfahrensgang
AG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 4 Lw 32/2010) |
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1 hat gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 3 Einwendungen erhoben.
Der Beteiligte zu 1 schloss am 29.9.2010 mit dem Beteiligten zu 2 einen notariellen Grundstückskaufvertrag über die Flurstücke G1 der Gemarkung O. zu einem Kaufpreis von 12.000 EUR. Die Beteiligten beantragten durch den mit der Beurkundung befasst gewesenen Notar bei der Stadt O. als Genehmigungsbehörde die Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung. Der Grundstücksverkehrsausschuss erteilte die beantragte Genehmigung nicht, verlängerte die Genehmigungsfrist auf drei Monate und ließ über die Siedlungsbehörde den Kaufvertrag der Siedlungsgesellschaft (der Beteiligten zu 3) vorlegen. Diese erklärte die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts im Hinblick auf das Vorhandensein eines erwerbsinteressierten, aufstockungsbedürftigen Landwirts. Die Genehmigungsbehörde teilte daraufhin mit Bescheid vom 29.9.2010 den durch den Notar vertretenen Kaufvertragsbeteiligten die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 3 mit.
Gegen diesen am 4.10.2010 beim Notar eingegangenen Bescheid hat der Beteiligte zu 1 mit einem am 25.10.2010 beim AG Oldenburg eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung Einwendungen gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts und die Nichterteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung erhoben. Der Beteiligte zu 1 hat insbesondere geltend gemacht, dass bei den beiden im Naturschutzgebiet 'B.' liegenden Grundstücken der Naturschutz Vorrang vor sonstigen wirtschaftlichen Erwägungen haben müsse und er als dem Naturschutz in besonderer Weise verpflichtete Vereinigung, der es nicht um einen aus den Flächen zu erzielenden Gewinn gehe, den Belangen des Naturschutzes in optimaler Weise Rechnung tragen könne.
Die Beteiligte zu 3 und die Genehmigungsbehörde haben geltend gemacht, dass in dem genannten Naturschutzgebiet eine landwirtschaftliche Nutzung, wenn auch mit gewissen Beschränkungen und Auflagen, möglich sei und das hier vorhandene dringende Aufstockungsinteresse des Vollerwerbslandwirts H. D. Vorrang haben müsse, zumal nicht ersichtlich sei, dass der Beteiligte zu 1 das Grundstück zur Durchführung konkreter Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen erwerben wolle.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Landwirt H. D. als Zeugen vernommen und sodann den Antrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Es hat angenommen, dass die Genehmigungsbehörde wegen des vorhandenen dringenden Aufstockungsbedarfs des hier erwerbsinteressierten Landwirts zu Recht die Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht erteilt, den Kaufvertrag der Siedlungsgesellschaft zur Ausübung des Vorkaufsrechts vorgelegt und die Ausübung des Vorkaufsre...