Leitsatz (amtlich)
Das Gericht ist im Arzthaftungsprozess nicht an die vom Patienten vorgebrachten Gründe für eine vermutete Fehlerhaftigkeit des ärztlichen Handelns gebunden, sondern darf den Sachverständigen darüber hinaus mit der Prüfung beauftragen, ob sonstige für den behaupteten Schaden ursächliche Behandlungsfehler zu erkennen sind.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Beschluss vom 16.01.2008; Aktenzeichen 3 O 1914/07 (219)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 16.1.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz wegen ärztlicher Behandlungsfehler in Anspruch.
Anfang November 2002 zog sich die Klägerin eine Fraktur des linken Oberarms zu, aufgrund derer sie stationär im Hause der Beklagten zu 1) aufgenommen wurde. Dort führte der Beklagte zu 2) in einigem zeitlichen Abstand bei der Klägerin zwei Operationen durch und übernahm auch die jeweilige ambulante Nachbehandlung. Die Klägerin behauptet, das Behandlungsgeschehen sei in mehreren Punkten fehlerhaft gewesen, wodurch erhebliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen des Arms eingetreten seien.
Durch Beschluss vom 14.12.2007 hat die 3. Zivilkammer des LG Osnabrück die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens angeordnet. In dem Beweisbeschluss sind unter Ziff. I im Wesentlichen die von der Klägerin behaupteten Fehler bei der Behandlung der Oberarmfraktur in Frageform aufgeführt, während Ziff. II folgende Maßgabe enthält: "Sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige Anhaltspunkte für ein ärztliches Fehlverhalten erkennen, die nicht Gegenstand der unter Ziff. I. formulierten Beweisfragen sind, wird er gebeten, auch diesbezüglich fachwissenschaftliche Ausführungen zu machen."
Die Beklagten haben daraufhin die an der Entscheidung beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil diese, abweichend vom im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz, den Sachverständigen aufgefordert hätten, losgelöst vom Vorbringen der Klägerin zum Nachteil der Beklagten nach ärztlichem Fehlverhalten zu suchen. Durch den angefochtenen Beschluss hat die 2. Zivilkammer des LG Osnabrück das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.
II. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist gem. §§ 46 Abs. 2, 567 ZPO zulässig, jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.
Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist gem. § 42 Abs. 2 ZPO nur dann begründet, wenn aus der Sicht des Ablehnenden objektive Gründe vorliegen, die einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BGH NJW 2004, 164). Ein solcher Grund kann bestehen, wenn das prozessuale Vorgehen des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängen muss (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 42 Rz. 24 m.w.N.). Hiervon kann im zu entscheidenden Fall allerdings keine Rede sein.
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf ein faires Verfahren und Waffengleichheit im Prozess hat im Arzhaftungsprozess nach ständiger Rechtsprechung zur Folge, dass an die Substantiierungspflicht des Patienten nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil von diesem regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Der Patient darf sich daher auf einen Vortrag beschränken, der für ihn aufgrund der Folgen die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes gestattet (zuletzt BGHZ 159, 245). Der Richter ist sodann von Amts wegen gehalten, einzelne Elemente zu ermitteln (BGH VersR 1982, 162). Er ist im Arzthaftungsprozess nicht an die vom Patienten vorgebrachten Gründe für eine vermutete Fehlerhaftigkeit des ärztlichen Handelns gebunden, sondern darf den Sachverständigen darüber hinaus mit der Prüfung beauftragen, ob sonstige für den behaupteten Schaden ursächliche Behandlungsfehler zu erkennen sind (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 365; Rehborn GesR 2004, 403, 406; MDR 2000, 1319, 1320).
Den Beklagten ist zuzugeben, dass der Wortlaut des Prüfungsauftrages auf den ersten Blick zu weit gefasst ist. Aus der Akte ergibt sich jedoch eindeutig, dass Gegenstand des Verfahrens nur die ärztliche Versorgung der Oberarmfraktur der Klägerin ist. Bei objektiver Betrachtung kann daher kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass sich der Prüfungsauftrag an den Sachverständigen auch nur auf diesen Sachverhalt beschränkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1934857 |
ArztR 2009, 50 |
MDR 2008, 527 |
VersR 2008, 1711 |
GesR 2008, 638 |
OLGR-Nord 2008, 836 |