Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Äußert sich ein Sachverständiger im Arzthaftungsprozess zu etwaigen Aufklärungspflichten, obwohl der Kläger seine Klage nicht auf die Verletzung von Aufklärungspflichten stützt und auch die dem Sachverständigen unterbreiteten Beweisfragen ausschließlich Behandlungsfehler betreffen, so kann dies seine Befangenheit begründen.

 

Normenkette

ZPO § 406

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Beschluss vom 31.10.2007; Aktenzeichen 8 O 2552/06)

LG Oldenburg (Beschluss vom 30.10.2007; Aktenzeichen 8 O 2552/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.10./31.10.2007 wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 9.10.2007 aufgeho - ben und das Befangenheitsgesuch gegen den Sachver - ständigen Prof. Dr. C. für begründet erklärt.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes aus Anlass einer (angeblich) fehlerhaften Behandlung während seines stationären Aufenthaltes in der Zeit vom 22.05. bis 14.7.2003 in der Klinik der Beklagten.

Er macht geltend, die am 24.6.2003 durchgeführte Operation (Implantation einer Totalendoprothese in die linke Hüfte) sei nicht indiziert gewesen und im Hinblick auf eine bestehende Infektion nicht fachgerecht erfolgt. Erst nach Ausheilung der Infektion sei eine Implantation einer Totalendoprothese der linken Hüfte zulässig gewesen. Am 24.6.2003 habe allenfalls eine ersatzlose Resektion des Hüftkopfes in Verbindung mit einem Debridement als risikoärmeres Verfahren durchgeführt werden dürfen. Angezeigt gewesen wäre ein zweizeitiges Vorgehen, nämlich zunächst die Resektion des infizierten Hüftkopfes sowie nach Ausheilung die Implantation der Totalendoprothese.

Das LG hatte per Beweisbeschluss vom 4.12.2006 die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens zu den Behauptungen des Klägers angeordnet und Prof. Dr. C. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.

Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.5.2007 die ihm zu etwaigen Behandlungsfehlern gestellten präzisen Beweisfragen beantwortet und darüber hinaus ausgeführt, der Kläger sei vor dem operativen Eingriff am 24.6.2003 nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.

Mit Schriftsatz vom 12.6.2007 hat die Beklagte den Sachverständigen Prof. Dr. C. daraufhin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses sei der Sachverständige nicht beauftragt gewesen, zu einer etwaigen Aufklärungsproblematik Stellung zu nehmen. Der Kläger habe in der Klageschrift eine Aufklärungsrüge auch nicht erhoben. Damit habe sich der Sachverständige zu einem Fragenkomplex geäußert, dessen Beantwortung ihm durch das Gericht nicht aufgegeben worden sei. Des Weiteren erwecke auch die Wortwahl des Sachverständigen im Gutachten ("das Verhalten sei als grob fahrlässig zu bewerten") den Eindruck der mangelnden Unvoreingenommenheit.

Der Sachverständige Prof. Dr. C. hat in seiner Stellungnahme vom 21.8.2007 (Bl. 140 bis 143 d.A.) zu dem Befangenheitsgesuch klargestellt, seine gutachterlichen Ausführungen zur Aufklärung würden auf der Aktenlage basieren. Zu etwaigen mündlichen Aufklärungen lägen ihm Erkenntnisse nicht vor und deshalb habe er mündliche Besprechungen im Verhältnis Arzt - Patient nicht berücksichtigen können.

Mit Beschluss vom 9.10.2007 hat das LG das Befangenheitsgesuch der Beklagten zurückgewiesen. Insoweit wird auf den Inhalt des Beschlusses und die abgegebene Begründung verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 406 Abs. 5, 567 ZPO zulässig und auch sachlich gerechtfertigt.

Ein Sachverständiger kann von einer Partei wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn objektive Umstände oder Tatsachen vorliegen, die vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtungsweise geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit zu rechtfertigen (vgl. BGH NJW 2005, 1869, 1870). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden hingegen aus. Weiter ist nicht erforder- lich, dass der Abgelehnte tatsächlich befangen ist; ebenso ist unerheblich, ob er sich für befangen hält (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl.,§ 42 Rz. 8,9).

Nach einhelliger Auffassung kann es einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn ein gerichtlich bestellter Sachverständiger mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinaus geht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet (vgl. Beschlüsse des Senats vom 8.1.2007 - 5 W 243/06 und 18.12.2006 - 5 W 212/06; OLG Celle NJW-RR 2003, 135; Zöller/Greger, a.a.O., § 406 Rz. 8; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 705 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus der Sicht der ablehnenden Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist.

Unter Berü...

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