Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Erteilung einer Weisung, um einer Kindeswohlgefährdung entgegenzuwirken
Leitsatz (redaktionell)
Ist eine den Teilentzug der elterlichen Sorge rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr gegeben, waren die Eltern jedoch in der Vergangenheit nicht durchgängig in der Lage, ihr Sorgerecht ordnungsgemäß auszuüben, kann den Eltern, um einer möglichen künftigen Kindeswohlgefährdung entgegenzuwirken, die Weisung erteilt werden, vorbehaltlos öffentliche Hilfen in Form von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen.
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1, 3 Nrn. 1, 6
Verfahrensgang
AG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 19.08.2009; Aktenzeichen 52 F 3034/09 SO) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindeseltern wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Oldenburg vom 19.8.2009 hinsichtlich der Kinder A. und B. geändert.
Der Antrag der Antragstellerin, den Kindeseltern das Sorgerecht für die Kinder A. und B. teilweise zu entziehen, wird zurückgewiesen.
Den Kindeseltern wird die Weisung erteilt, für A. und B. Leistungen der öffentlichen Kinder und Jugendhilfe vorbehaltlos in Anspruch zu nehmen.
Hinsichtlich der Kinder C., D. und E. ergeht eine gesonderte Entscheidung.
Gründe
Mit dem angefochtenen und hiermit wegen aller Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat das AG den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen und die Gesundheitsfürsorge für A., B., C., D. und E. sowie zusätzlich für C. die Sorge in Schulangelegenheiten entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kindeseltern nach Maßgabe ihrer Begründung.
Das zulässige Rechtsmittel führt hinsichtlich A. und B. zur Änderung der angefochtenen Entscheidung.
Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens ist ein Teilentzug der elterlichen Sorge für diese Kinder nicht veranlasst. Es ist jedoch die Erteilung einer Weisung (§ 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB) geboten.
Nach den im Beschwerderechtszug getroffenen Feststellungen ist eine den Teilentzug der elterlichen Sorge rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6 BGB) bezogen auf A. und B. nicht gegeben.
Das vom Senat eingeholte Gutachten der Dipl. Psych. Dr. M. kommt zu dem Ergebnis, dass die Kindeseltern ausreichende Bindungen zu allen Kindern haben und über erzieherische Fähigkeiten verfügen, die eine Grundversorgung sowie die gesundheitliche und schulische Versorgung der Kinder sicherstellen. Andererseits haben die Eltern große Defizite in ihren kommunikativen Fähigkeiten und Möglichkeiten, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Daraus hat sich in der Vergangenheit eine Überforderung der Eltern bei der Erziehung und dem Umgang mit - einschließlich F. - sechs Kindern entwickelt. Dazu hat auch die berufliche Situation der Eltern beigetragen (Schichtarbeit des Vaters, teilweise Nachtarbeit der Mutter).
Die Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass sich die Überforderungssituation der Eltern stark verändert hat. Der Kindesvater hat seine Anstellung als Altenpfleger verloren. Er ist bereit, in Zukunft nur noch in reduziertem Umfang berufstätig zu sein. Beide Elternteile haben der Gutachterin gegenüber ihre Bereitschaft erklärt, zukünftig wieder Hilfen anzunehmen. Eine Suizidalität der Kindesmutter ist aktuell nicht feststellbar. Wegen dieser grundlegend veränderten Rahmenbedingungen hält die Sachverständige weniger einschneidende Maßnahmen als einen Teilentzug der elterlichen Sorge für vertretbar.
Sie hält es für angezeigt, die Kinder A. und B. in den elterlichen Haushalt zurückkehren zu lassen, weil sie dabei eine Gefährdung des Wohles dieser beiden Kinder für nicht gegeben erachtet. Angesichts der eingangs genannten Defizite der Kindeseltern hält sie es aber für dringend erforderlich, zur Unterstützung der Eltern ein Helfersystem zu installieren.
Der Senat hält das Gutachten für überzeugend. Die Sachverständige hat auch bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens vor dem Senat noch einmal nachvollziehbar hervorgehoben, dass die Kindeseltern mit der Erziehung von sechs Kindern in der Vergangenheit überfordert waren und bei dem derzeitigen Stand der Dinge auch wieder überfordert sein würden. Sie hat allerdings auch daran festgehalten, dass das Wohl von A. und B. bei einer Rückkehr nur dieser beiden Kinder in den elterlichen Haushalt nicht gefährdet ist, wenn ihr Aufenthalt dort von einem noch zu installierenden Helfersystem begleitet wird. Dabei wird es in der Zukunft darum gehen, die nachgewiesenen erzieherischen Defizite der Kindeseltern zu beseitigen. Hier sind die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Vaters, die mangelnde Impulskontrolle der Mutter und die noch nicht hinreichend entwickelte Fähigkeit der Eltern, insbesondere der Kindesmutter, die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und die eigenen Bedürfnisse dem hintenan zu stellen, zu nennen.
Auch wenn der Senat mit dem Jugendamt und der Verfahrenspflegerin gerade dem letztgenannten Punkt g...