Leitsatz (amtlich)
Nach Verwerfung einer der Annahme bedürftigen Berufung kann das ausdrücklich als Berufung bezeichnete Rechtsmittel auch dann nicht mehr als Revision fortgeführt werden, wenn der Übergang noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erklärt wird.
Normenkette
StPO § 335 Abs. 1, §§ 332a, 313 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Wilhelmshaven (Entscheidung vom 18.01.2011; Aktenzeichen 4 Cs 511/10) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 18. Januar 2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Wilhelmshaven hat den Angeklagten am 18. Januar 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 7,50 € verurteilt. Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 25.Januar 2011 Berufung eingelegt, die das Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 16. Februar 2011 die Berufung nicht angenommen und als unzulässig verworfen hat. Nach Erhalt dieses Beschlusses hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 25. Februar 2011 erklärt, die Berufung werde als Revision fortgeführt.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unzulässig.
Gemäß § 335 Abs. 1 StPO kann ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, statt mit der Berufung mit der Revision angefochten werden. Dabei ist der Übergang von der Berufung zur Revision bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist von einem Monat, die hier mit der Urteilszustellung an den Verteidiger am 10. Februar 2011 begann, zulässig. Dieses gilt selbst dann, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel zuvor ausdrücklich als Berufung bezeichnet hatte (allg. Ansicht. vgl. etwa BGH, Beschluss v. 25.01.1995, 2 StR 456/94, BGHSt 40, 395). Ob es darüber hinaus in den Fällen des § 313 Abs. 1 StPO (Verurteilung zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen) für die Zulässigkeit der Sprungrevision zudem zwingend der vorherigen Annahme der Berufung bedarf (vgl. zum Meinungsstand MeyerGoßner, StPO, 54. Aufl., § 335 Rz. 21), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
Denn das Landgericht hatte zu dem Zeitpunkt des Rechtsmittelwechsels bereits die Berufung des Angeklagten nicht angenommen und sie als unzulässig verworfen. Diese Entscheidung ist gemäß § 322a Satz 1 StPO unanfechtbar. Ihre Bindungswirkung entfällt auch nicht deshalb, weil das Berufungsgericht vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, innerhalb derer der Angeklagte einen Übergang von der Berufung zur Revision hätte erklären können, entschieden hat. Dem anderslautenden Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 25. Oktober 2002 (3 Ss 290/02, NStZRR 2003, 53) lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Denn dort hatte der Angeklagte ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt. Im Ergebnis dasselbe gilt für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 29. April 1991 (355, 334/90, NStZ 1991, 506), der zugrunde lag, dass der Angeklagte sich einen Übergang zur Revision ausdrücklich offengehalten hatte. Wird hingegen - wie hier - ein nach § 313 StPO anfechtbares Urteil ausdrücklich mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten, so kann das Berufungsgericht hierüber jedenfalls dann sogleich entscheiden, wenn sich aus dem Vorbringen des verteidigten Angeklagten keinerlei Hinweis auf ein mögliches künftiges Auswechseln des Rechtsmittels ergibt.
Zeitlich nach der mithin rechtsfehlerfrei erfolgten Nichtannahme und Verwerfung der Berufung war ein Wechsel zur Sprungrevision nicht mehr zulässig. Gemäß § 335 StPO ist die Revision nur anstatt der Berufung, nicht aber zusätzlich zu dieser statthaft. Ein Urteil kann vom Angeklagten nicht zugleich mit zwei verschiedenen Rechtsmitteln angefochten werden. Über das hier - allein - eingelegte Rechtsmittel der Berufung hat das Landgericht am 16. Februar 2011 abschließend entschieden. Damit ist das Wahlrecht des Angeklagten erloschen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.04.1994, 2 St RR 59, StV 1994, 364. Tolksdorf, SalgerFS, S. 405).
Der abweichenden Ansicht (vgl. SKFrisch, § 335 Rz. 28. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 55 Rz. 4 a. E.) vermag der Senat nicht zu folgen. Sie findet - entgegen der Ansicht der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft - in dem zur Frage des für die Rechtsmitteleinlegung zuständigen Gerichts ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 1995 (BGHSt 40, 395) keine Stütze. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, die Verwerfung der Berufung besage nur etwas über deren Unzulässigkeit, nehme dem Beschwerdeführer aber nicht das Recht, das Rechtsmittel als Revision weiterbehandeln zu lassen (so aber SKFrisch aaO.). Denn ein "weiterzubehandelndes" Rechtsmittel existiert nach dessen Verwerfung nicht mehr, weil nur ein Rechtsmittel eingelegt werden konnte, s. o..
Nach alledem war die Revision des Angeklagten war mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 2850939 |
NStZ 2012, 54 |
SVR 2012, 313 |