Leitsatz (amtlich)
1. Eine Sprungrevision ist auch zulässig, wenn der Angeklagte lediglich zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden ist und eine Berufung deshalb gemäß § 313 StPO der Annahme durch das Berufungsgericht bedurft hätte. Es besteht nach der Gesetzgebungsgeschichte kein Anhalt dafür, dass dem Begriff "zulässig" in § 312 StPO durch die Einfügung des § 313 StPO nunmehr eine über die Bedeutung "statthaft" hinausgehende Bedeutung zukommen sollte.
2. Ein Urteil ist auf die Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, wenn die Strafzumessungserwägungen nicht die Prüfung ermöglichen, ob das Gericht bei Vorliegen einer geringen Menge von der Möglichkeit eines Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG ermessensfehlerfrei keinen Gebrauch gemacht hat.
Verfahrensgang
AG Leipzig (Entscheidung vom 12.11.2014; Aktenzeichen 216 Cs 106 Js 13163/14) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 12. November 2014 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hatte gegen die Angeklagte mit Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 EUR festgesetzt.
Auf den dagegen eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht die Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt.
Die einschlägig vorbestrafte Angeklagte, die zuletzt am 17. Dezember 2012, rechtskräftig seit dem 1. Oktober 2013 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten verurteilt worden ist, war nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen am 15. Februar 2014 zum Zwecke des Eigenkonsums im Besitz von 0,4 g Cannabis. Einen Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels hat das Amtsgericht nicht festgestellt.
Gegen das Urteil hatte die Angeklagte zunächst am 17. November 2014 Rechtsmittel eingelegt. Nach Zustellung des Urteils am 19. Dezember 2014 hat die Angeklagte ihr Rechtsmittel mit Verteidigerschriftsatz vom 14. Januar 2014, der am 15. Januar 2014 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, als Sprungrevision bezeichnet. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit Verteidigerschriftsatz vom 9. April 2015 hat sie die Sachrüge weiter ausgeführt.
II.
Das Rechtsmittel hat einen Teilerfolg; es führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet.
1.
Die Revision ist gemäß § 335 Abs. 1 StPO zulässig.
Das innerhalb der Frist der §§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO formgerecht angebrachte unbestimmte Rechtsmittel ist rechtzeitig innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs.1 StPO als Sprungrevision bezeichnet und begründet worden.
Die Sprungrevision ist entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft auch zulässig, obwohl die Angeklagte lediglich zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden ist und eine Berufung deshalb gemäß § 313 StPO der Annahme durch das Berufungsgericht bedurft hätte. Nach herrschender Rechtsprechung und entgegen der überwiegenden Meinung in der Literatur kann auch in einem Fall der Annahmeberufung ein Urteil des Amtsgerichts mit der Sprungrevision grundsätzlich uneingeschränkt angefochten werden [vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl. § 335 Rdnr. 21; BGHSt 40, 395; KG Berlin, Beschluss vom 27. April 2009, Az.: (3) 1 Ss 90/09 (39/09), - juris; zweifelnd lediglich OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 174). Es besteht nach der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BayObLG StV 1993, 572) kein Anhalt dafür, dass dem Begriff "zulässig" in § 312 StPO durch die Einfügung des § 313 StPO nunmehr aufgrund der Gesetzesergänzung eine über die Bedeutung "statthaft" hinausgehende Bedeutung zukommen sollte.
2.
Die Revision ist hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches begründet.
a)
Die von Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe noch den Schuldpruch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
b)
Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches erweist sich die Rüge der Verletzung formellen Rechts zwar zunächst als unzulässig, weil entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht die den Mangel enthaltenen Tatsachen mitgeteilt werden. Soweit die Revision mit einer Verfahrensrüge beanstandet, dass sich das Amtsgericht entgegen eines von der Angeklagten gestellten Antrages nicht damit auseinandergesetzt hat, ob ein Absehen von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG in Betracht kommt (§ 267 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz StPO; vgl. KK-Kuckein, StPO 7. Aufl. § 267 Rdnr. 34 m.w.N.), ist diese Rüge erst mit Verteidigerschriftsatz vom 9. April 2015 und nicht innerhalb der Revisionsbe...