Verfahrensgang

AG Westerstede (Aktenzeichen 31 VI 1161/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Westerstede vom 15. August 2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 200.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft den Nachlass des am 9. Februar 2018 verstorbenen C... K....

Bei der Beteiligten zu 2.) handelt es sich um die Ehefrau des Verstorbenen. Die Beteiligte zu 1.) ist die gemeinsame (Adoptiv)Tochter der Eheleute.

Unter dem 13. Februar 2012 errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Zur Schlusserbin nach dem Tod des Längstlebenden wurde die Tochter bestimmt.

Die Eheleute lebten seit Anfang April 2013 räumlich getrennt. Mitte Januar 2015 reichte die Beteiligte zu 2.) einen Scheidungsantrag beim Amtsgericht Oldenburg ein. Der anwaltlich vertretene Erblasser stimmte diesem Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. April 2016 zu.

Unter dem 1. Juli 2013 verfasste der Verstorbene ein neues Testament, in welchem er die Beteiligte zu 1.) zu seiner Alleinerbin bestimmte. Zu der Beteiligten zu 2.) führte er aus: "Meine Frau H... wird nicht bedacht - wegen erwiesener Bösartigkeit."

Die Beteiligte zu 1.) hat die Auffassung vertreten, dass das gemeinschaftliche Testament im Hinblick auf den Scheidungsantrag ihrer Mutter und der Zustimmung zu diesem durch ihren Vater unwirksam geworden und somit die zweite letztwillige Verfügung zu ihren Gunsten wirksam sei.

Die Beteiligte zu 2.) hat demgegenüber darauf verwiesen, dass nach dem Vorbringen im Scheidungsverfahren vor dem AG Oldenburg ein Widerruf der Zustimmung des Erblassers zur Scheidung anzunehmen sei, weshalb das jüngere Testament unwirksam sei.

Mutter und Tochter haben jeweils einen Erbschein beantragt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht gemäß § 352e FamFG angekündigt, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1.) zu entsprechen. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.

II. 1.) Die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) ist nicht begründet.

Die Beteiligte zu 1.) ist aufgrund des Testaments vom 1. Juli 2013 Alleinerbin nach ihrem Vater geworden.

Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute ist gemäß § 2268 Abs. 1 BGB i. V. m. § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam.

a) Nach diesen Bestimmungen ist ein gemeinschaftliches Testament nichtig, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

Die Voraussetzungen für die Scheidung haben im Todeszeitpunkt am 9. Februar 2018 gemäß § 1565 BGB i. V. m. § 1566 Abs. 1 und 2 BGB vorgelegen. Da die Eheleute zu diesem Zeitpunkt mehr als drei Jahre getrennt gelebt hatten, wurde ein Scheitern der Ehe materiellrechtlich unwiderlegbar vermutet.

Die Ehefrau hatte den Scheidungsantrag gestellt, der Erblasser der Scheidung in der gemäß § 134 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen Form, nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2016, zugestimmt.

Diese Zustimmung lag auch noch im Zeitpunkt seines Todes vor. Einen formwirksamen Widerruf gemäß § 134 Abs. 2 FamFG durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Familiengerichts hat der Erblasser jedenfalls nicht erklärt.

Genauso wie die Zustimmung zur Scheidung ist auch deren Widerruf nicht nur materiellrechtliche Willenserklärung, sondern auch Prozesshandlung. Im Hinblick darauf wird in Rechtsprechung und Schrifttum eine ausdrückliche Erklärung verlangt (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1990, 59, FamRZ 2013, 652; Weber, in: Keidel, 19. Aufl., § 134, Rn. 3 ff.; Lorenz, in: Zöller, 32. Aufl., § 134 FamFG, Rn. 1). Darauf kommt es hier jedoch nicht an, auch wenn es naheliegt, eine ausdrückliche Erklärung zumindest dann zu verlangen, wenn der Beteiligte - wie hier der Erblasser - durch einen Rechtsanwalt vertreten wird bzw. wurde.

Denn selbst wenn man einen schlüssigen Widerruf der Zustimmung zur Scheidung in der mündlichen Verhandlung des Familiengerichts zuließe, müsste sich dieser entsprechend §§ 133, 157 BGB zweifelsfrei feststellen lassen. Das Ziel der Aufrechterhaltung der Ehe muss eindeutig und vorbehaltlos verfolgt werden (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2013, 652, Juris Rn. 15). Daran fehlt es hier jedoch.

Ein konkludenter Widerruf ergibt sich namentlich nicht aus der Erklärung des Antragsgegners im Termin vom 2. März 2017 vor dem Familiengericht. Dort hat er zwar geltend gemacht, dass man im Rahmen einer Mediation gute Gespräche geführt und er "doch einen Ansatz" sehe, die Ehe fortzuführen und daran zu "arbeiten", weshalb er auch eine Aussetzung des Verfahrens anstrebe.

Daraus folgt aber nicht, jedenfalls nicht zwingend, dass er die zuvor erteilte Zustimmung zur Scheidung nunmehr - zu diesem Zeitpunkt - widerrufen wollte. Denn hinter dem Aussetzungsbegehren stand nach seiner Darstellung eben nur seine Vorstellung, die Ehe eventuell doch noch ...

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