Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellung minderjähriger Kinder in ihre Person betreffenden Verfahren. Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers bei Ausschluss der Eltern von der Vertretung des Kindes
Leitsatz (amtlich)
Minderjährige Kinder sind in allen ihre Person betreffenden Verfahren Beteiligte gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
Sind beide Eltern in einem die Person des Kindes betreffenden Verfahren selbst Beteiligte, können sie bei gegensätzlichen Interessen ein Kind im selben Verfahren nicht gesetzlich vertreten
Als Beteiligte müssen sie in diesen Verfahren gesetzlich vertreten sein. Sind die Eltern als gesetzliche Vertreter nach §§ 1629 Abs. 2, 1795, 1796 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Der Verfahrensbeistand ist nicht gesetzlicher Vertreter.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2, §§ 1795-1796; FamFG § 7 Abs. 2 Nr. 1, § 159 Abs. 1, § 151 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 09.10.2009; Aktenzeichen 64 F 197/09 PF) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Oldenburg vom 9.10.2009 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 3.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 2. und 3. sind geschiedene Eheleute und üben die elterliche Sorge für ihre im Dezember 1992 geborene Tochter, die Beteiligte zu 1), gemeinsam aus.
Nachdem der Beteiligte zu 3) infolge seiner Arbeitslosigkeit keinen Kindesunterhalt mehr leistete, erwirkte die Beteiligte zu 2) zugunsten der bei ihr lebenden Beteiligten zu 1) sowie deren seinerzeit noch minderjährigen Bruder ein Urteil über Kindesunterhalt. Sie ließ für die Kinder mehrere Sicherungshypotheken auf dem Grundstück des Beteiligten zu 3) eintragen und beantragte im Mai 2009 für beide Kinder die Zwangsversteigerung aus zwei Sicherungshypotheken über jeweils 2.528 EUR. Das AG Oldenburg - Zwangsversteigerungsgericht - ordnete durch Beschluss vom 19.5.2009 die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes an.
Der Beteiligte zu 3) hat mit einem am 7.9.2009 beim AG - Familiengericht - Oldenburg eingegangenem Schriftsatz beantragt, für die Beteiligte zu 1) einen Ergänzungspfleger für das Zwangsversteigerungsverfahren zu bestellen.
Er bringt vor, seine Tochter sei ebenso wie ihr mittlerweile volljähriger Bruder mit der Zwangsversteigerung nicht einverstanden. Im Übrigen gefährde die Zwangsversteigerung das Erbe der Kinder.
Mit Beschluss vom 9.10.2009 hat das AG Oldenburg durch die Rechtspflegerin der Beteiligten zu 2) gem. § 1629 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 1796 BGB das Recht zur Vertretung der Beteiligten zu 1) "im Zwangsversteigerungsverfahren in das Grundstück des Kindesvaters" entzogen, die Ergänzungspflegschaft angeordnet und einen Ergänzungspfleger bestellt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer fristgerecht beim AG - Familiengericht - Oldenburg eingegangenen Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung an das AG begehrt.
II. Die nach § 11 RPflG i.V.m. § 58 FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache auf den Hilfsantrag zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen ist (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).
Das Kind ist in dem Verfahren nicht seiner verfahrensrechtlichen Stellung entsprechend als Beteiligter hinzugezogen worden. Aufgrund dieses Verfahrensfehlers fehlt dem angefochtenen Beschluss eine tragfähige Grundlage. Er ist daher aufzuheben und das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurück zu verweisen, damit dieses die notwendigen verfahrensrechtlichen Maßnahmen und tatsächlichen Feststellungen nachholen kann.
Es handelt sich um eine Kindschaftssache, an der die fast 17 Jahre alte Beteiligte zu 1) formell zu beteiligen und persönlich anzuhören ist (§§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 159 Abs. 1 FamFG). Gemäß § 151 Nr. 5 FamFG gehören zu den Kindschaftssachen Verfahren, die die Entziehung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis und die Bestellung eines Ergänzungspflegers gem. § 1909 BGB betreffen (Stößer in Prütting/Helms § 151 FamFG Rz. 10; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, 234). Zuständig für die Entscheidung ist unverändert der Rechtspfleger (§§ 14, 3 Nr. 2a) RPflG).
Ein Kind ist in allen Kindschaftssachen, welche die Entziehung oder auch nur Einschränkung der elterlichen Sorge betreffen, Verfahrensbeteiligter i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
Nach dieser Vorschrift sind diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Erforderlich aber auch ausreichend für die Hinzuziehung ist, dass der Verfahrensgegenstand ein Recht des zu Beteiligenden betrifft. Einer Prognose, ob es voraussichtlich zu einem rechtsbeeinträchtigenden Verfahr...