Leitsatz (amtlich)
Eine wegen eines mittelschweren Sexualdeliktes nach § 63 StGB angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist trotz bestehender Rückfallgefahr wegen Unverhältnismäßigkeit für erledigt zu erklären, wenn die Unterbringung seit mehr als 17 Jahren vollzogen wird und die vom Verurteilten ausgehende Gefahr durch begleitende Maßnahmen verringert werden kann.
Normenkette
StGB § 67d Abs. 6 S. 1 Alt. 2
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Entscheidung vom 09.05.2011; Aktenzeichen 51 StVK 182/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen vom 9. Mai 2011,
mit dem die Fortdauer der Unterbringung angeordnet worden ist,
aufgehoben.
Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 4. Februar 1994 wird zum 31. August 2011 für erledigt erklärt.
Die Dauer der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht wird auf fünf Jahre bestimmt.
Die Sache wird zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg zurückgegeben.
Die Kosten des Rechtsmittels, einschließlich der notwendigen Auslagen des Untergebrachten, fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
(für die Veröffentlichung vom Vorsitzenden leicht gekürzt)
Das Landgericht Münster verurteilte Herrn G. am 4. Februar 1994 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und ordnete dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Dem liegt zugrunde, dass Herr G. am 25. September 1993 eine Fußgängerin aus dem Auto heraus ansprach, worauf sie nicht reagierte. Er stieg aus, ging hinter ihr her, wobei er eine starke Erregung verspürte. Als er sie erreicht hatte, legte er seinen linken Arm um sie und versuchte, sie auf Mund und Wangen zu küssen. Die Frau wehrte sich und schrie laut, weshalb er ihr an den Hals griff und ihr den Mund zuhielt, weil sie stillhalten sollte. Er fasste ihr unter der Kleidung an die Brust, öffnete ihre Hose, betastete mit seiner Hand ihr Geschlechtsteil unter der Kleidung und führte ihre linke Hand an seinen erigierten Penis, nachdem er zuvor auch seine Hose geöffnet hatte. Die Frau sollte ihn durch Manipulation seines Penis sexuell befriedigen. Die sexuellen Handlungen währten einige Minuten, zum Samenerguss kam es nicht. Auch drang er mit einem Finger in ihre Scheide ein. Schließlich bot die Frau zum Schein ein Fortsetzen der sexuellen Aktivitäten an einem anderen Ort an. Der Verurteilte erkannte, dass dies nicht ernst gemeint war, ließ aber von seinem Opfer ab. Als sich ein Auto näherte, trat er die Flucht an. Eine kurz nach seiner Festnahme entnommene Blutprobe ergab eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 1,04 g ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X.
Das Landgericht hat ferner festgestellt, Herr G. sei zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Er leide an einer schweren seelischen Abartigkeit "durch das Hervorbrechen seiner sexuellen Impulse, wenn er zur Unzeit seine gewöhnliche Sexualpartnerin nicht zur Hand habe". Der Alkohol habe die Tat nicht richtungweisend beeinflusst. es sei aber nicht auszuschließen, dass er zum Hemmungsabbau beigetragen habe. Es sei auch zukünftig mit gleichartigen rechtswidrigen Handlungen zu rechnen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.
Zuvor war Herr G. mehrfach wegen im Wesentlichen gleichgelagerter Straftaten verurteilt worden:
Das Kreisgericht ErfurtNord verurteilte ihn 1983 wegen Nötigung zu sexuellen Handlungen (und mehrfachen Rowdytums) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. das Kreisgericht ErfurtMitte verhängte gegen ihn 1985 wegen Nötigung und Missbrauchs zu sexuellen Handlungen im schweren Fall eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und 1988 wegen versuchter Nötigung zu sexuellen Handlungen im schweren Fall eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Die Vollstreckung der drei Strafen wurde jeweils zur Bewährung ausgesetzt. die Strafaussetzungen wurden jedoch in der Folgezeit widerrufen. 1990 verurteilte ihn das Kreisgericht ErfurtSüd wegen Nötigung und Missbrauchs zu sexuellen Handlungen im schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.
Die mit Urteil des Landgerichts Münster vom 4. Februar 1994 angeordnete Unterbringung des Herrn G. in einem psychiatrischen Krankenhaus wird - nach vorausgegangener Untersuchungshaft - seit dem 16. Mai 1994 vollzogen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen hat mit Beschluss vom 9. Mai 2011, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.
Hiergegen wendet sich Herr G. mit der sofortigen Beschwerde. Er ist insbesondere der Ansicht, die Fortdauer der Unterbringung sei nicht mehr verhältnismäßig.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Allerdings ist der Strafvollstreckungskammer darin zuzustimmen, das...