Leitsatz (amtlich)
Erbringt der Versicherer zunächst Vorauszahlungen, verneint aber später seine Einstandspflicht und fordert die erbrachte Leistung unter gleichzeitigem Hinweis auf § 12 Abs. 3 VVG zurück, so ist der Versicherungsnehmer hinsichtlich der bereits erhaltenen Beträge nicht verpflichtet, innerhalb der Frist negative Feststellungsklage zu erheben. Berühmt sich der Versicherungsnehmer hingegen weiterer Ansprüche, so muss er diese innerhalb der Frist gerichtlich geltend machen.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Beschluss vom 01.06.2005) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 1.6.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Beklagte hatte bei der Klägerin für seine Tischlerei eine Feuerversicherung abgeschlossen. Der Betrieb brannte im November 2001 ab. In der Folgezeit leistete die Klägerin Vorauszahlungen i.H.v. insgesamt 71.225 EUR. Nachdem Gutachten zur Schadensursache eingeholt worden waren, teilte die Klägerin dem Rechtsanwalt des Beklagten unter dem 6.5.2003 mit, dass sie ihres Erachtens leistungsfrei sei, weil der Beklagte den Schaden grob fahrlässig verursacht habe, und forderte die geleisteten Vorauszahlungen zurück. Weiter heißt es:
"Ausdrücklich weisen wir auf § 12 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes hin. Danach sind wir endgültig allein durch Fristablauf von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der bestrittene Leistungsanspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten ab Erhalt dieses Schreibens gerichtlich geltend gemacht wird."
Die Klägerin hat im September 2004 Bereicherungsklage auf Rückzahlung der 71.225 EUR erhoben. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend macht er weitere Versicherungsleistungen aus demselben Schadensfall i.H.v. 80.681,55 EUR geltend. Das LG hat dem Beklagten Prozesskostenhilfe zur Abwehr der Klage bewilligt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Tischlerei durch Dritte in Brand gesetzt worden sei. Hinsichtlich der Widerklage hat es den Antrag abgelehnt, weil die Klägerin bezüglich dieser Beträge nach § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden sei. Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde macht der Beklagte zum einen geltend, ein Versicherer könne sich auf § 12 Abs. 3 VVG nicht berufen, wenn er nach zunächst erfolgter Zahlung Rückerstattung des Geldes verlange. Zum anderen habe er persönlich das Schreiben der Klägerin vom 6.5.2003 erst Ende September 2004 von seinem früheren Rechtsanwalt erhalten.
Das Rechtsmittel ist zulässig aber unbegründet.
Die beabsichtigte Widerklage hat keine Aussicht auf Erfolg.
Hinsichtlich der mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche ist die Klägerin gem. § 12 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.
Mit Schreiben vom 6.5.2003 hat sie (weitere) Leistungen an den Beklagten abgelehnt, ihre Leistungsfreiheit gem. §§ 61 VVG, 14 AFB 87 geltend gemacht und den Beklagten in aller gebotenen Deutlichkeit auf die Frist des § 12 Abs. 3 VVG sowie die Folgen der Fristversäumung hingewiesen. Mit dem Zugang des Schreibens an den früheren Bevollmächtigten des Beklagten gilt es auch als dem Beklagten persönlich zugegangen. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass ihn an der Versäumung der Frist kein Verschulden treffe, denn er muss sich ein etwaiges Verschulden seines Bevollmächtigten zurechnen lassen (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 Rz. 50, m.w.N.). Die Leistungsfreiheit der Klägerin ist mithin 6 Monate nach Zugang des Schreibens vom 6.5.2003 im November 2003 eingetreten.
Daran hat sich nichts dadurch geändert, dass die Klägerin bereits in jenem Schreiben die Rückerstattung der gezahlten Beträge verlangt und schließlich im September 2004 Klage erhoben hat.
Es ist zwar anerkannt, dass sich der Versicherer nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen kann, wenn er zunächst Leistungen erbringt, diese später aber wieder zurückfordert (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 Rz. 54; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 12 Rz. 87; Versicherungsrechts-Handbuch/Schlegelmilch, § 21 Rz. 189), denn in diesem Fall geht es nicht (mehr) um einen vom Versicherungsnehmer gegen den Versicherer geltend gemachten Anspruch auf Leistung, sondern um den Bereicherungsanspruch des Versicherers aus § 812 BGB gegen den Versicherungsnehmer, auf den § 12 VVG keine Anwendung findet (OLG Frankfurt RuS 1990, 361; OLG Hamm v. 8.10.1993 - 20 U 339/92, VersR 1994, 1169; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 12 Rz. 38). Der Versicherungsnehmer ist dementsprechend auch nicht gehalten, innerhalb der Frist negative Feststellungsklage zu erheben.
Diese Grundsätze gelten aber nur, soweit es um vom Versicherer bereits erbrachte Leistungen geht. Berühmt sich der Versicherungsnehmer - wie hier - über die bereits erbrachten Leistungen hinaus weiterer Ansprüche gegen den Versicherer, so muss er diese innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG gerichtlich geltend machen.
Ob dies auch dann gilt, wenn der Versicherer innerhalb der Frist Klage auf Rückzahlung erbrachter Teilleis...