Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Darstellung eines anthropologischen Identitätsgutachtens zu einem Beweisfoto einer Verkehrsüberwachungsanlage sind im Urteil die festgestellten Merkmalsübereinstimmungen, die vorhandenen Abweichungen und die von dem Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung im Hinblick auf die Einschätzung der Identitätswahrscheinlichkeit wiederzugeben. Konkrete Angaben zu der Merkmalshäufigkeit in der Bevölkerung sind nicht erforderlich (Anschluss OLG Hamm, DAR 2008, 395 ff.).
2. Selbst eine sachverständig festgestellte hohe Identitätswahrscheinlichkeit trägt eine Verurteilung nicht allein, wenn das Foto eine mindere Qualität aufweist. Erforderlich ist zumindest die zusätzliche Feststellung, dass der Betroffene entweder Halter des PKW ist oder in einer solchen Beziehung zu dem Halter des PKW steht, dass ein Zugriff auf den PKW zu der fraglichen Zeit nicht auszuschließen ist.
Verfahrensgang
AG Bersenbrück (Entscheidung vom 25.06.2008; Aktenzeichen 144 Js 62458/07) |
Tenor
1.
Die Sache wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Senat übertragen.
2.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 25.06.2008 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
3.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bersenbrück zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bersenbrück hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug zu einer Geldbuße von 300 Euro verurteilt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der ausweislich des Verkehrszentralregisters bereits einschlägig aufgefallene Betroffene am 22.05.2007 mit einem PKW, amtliches Kennzeichen ..., die BAB 1 in Richtung M... mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h. Der Abstand zu dem vorausfahrenden Kraftfahrzeug betrug über eine Strecke von mindestens 41 m lediglich 25 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes.
In der mündlichen Verhandlung ließ sich der Betroffene nicht zur Sache ein. Das Amtsgericht hat einen anthropologischen Sachverständigen zu der Fahrereigenschaft gehört. Mit der Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene näher ausgeführt die Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 22.08.2008 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form und fristgerecht mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden. Sie hat jedenfalls vorläufig mit der Sachrüge Erfolg.
Das Amtsgericht hat gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Beweisfoto verwiesen und es damit zum Bestandteil der Urteilsgründe gemacht. Das Foto ist - das hat auch das Amtsgericht unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen festgestellt - relativ kontrastarm. Eine Sonnenbrille verdeckt die Augenpartie. Gemessen an dieser geminderten Qualität des Beweisfotos ist das angefochtene Urteil in der Darstellung der Beweiswürdigung lückenhaft. Insbesondere konnte sich das Amtsgericht nicht auf den Ausschluss des Vaters des Betroffenen als Fahrer beschränken. Den Feststellungen zufolge hatte sich der Betroffene gar nicht zur Sache eingelassen. Die Fahrereigenschaft war dem Betroffenen damit vollen Umfangs nachzuweisen. Die Urteilsgründe ermöglichen dem Senat nicht die Kontrolle, ob die Feststellung, dass gerade der Betroffene Fahrer des PKW war, rechtsfehlerfrei getroffen worden ist. Ihnen ist nicht hinreichend zu entnehmen, aus welchen Gründen das Amtsgericht dem mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. G... gefolgt und deshalb zur Überzeugung von der Fahreigenschaft der Betroffenen gelangt ist.
Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und diesem Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt, die Ausführungen des Sachverständigen in einer, wenn auch nur gedrängten, zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGH, NStZ 2000, 106, 107 m.w.N.. OLG Celle, NZV 2002, 472. OLG Jena, DAR 2006, 523 m.w.N.). Bei einem anthropologischen Identitätsgutachten handelt es sich nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode, bei der sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann. Von einem gesicherten Stand der Wissenschaft in diesem Bereich kann nicht die Rede sein (so ausdrücklich BGH, NStZ 2005, 458, 460). Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der gedanklichen Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, bedarf es daher über die Aufzählung der mit dem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen des Betroffenen hinausgehender Anga...