Leitsatz (amtlich)

1. Nicht baugenehmigungspflichtige Sanierungsarbeiten an Altbauten werden nicht vom Baurisikoausschluss des § 4 Abs. 1k ARB 75 erfasst. Dies gilt auch, wenn der Wert der vom Verkäufer durchzuführenden Sanierungsarbeiten denjenigen von Grundstück und Altbausubstanz übersteigt.

2. Zwischen der beabsichtigten Rechtsverfolgung wegen mangelhafter Ausführung nicht genehmigungspflichtiger Sanierungsarbeiten an einer bereits vorhandenen Eigentumswohnung und dem Gemeinschaftseigentum einerseits und der genehmigungspflichtigen Errichtung von im Sondereigentum Dritter stehender Wohnungen durch Ausbau des Dachgeschosses andererseits besteht kein unmittelbarer Zusammenhang i.S.v. § 4 Abs. 1k ARB 75.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 27.02.2004; Aktenzeichen 13 O 2349/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.2.2004 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Beklagten unter Geltung der ARB 75 rechtsschutzversichert und begehrt eine Deckungszusage für die von ihr beabsichtigte Klage auf Rückabwicklung eines Wohnungskauf- und Renovierungsvertrages.

Die Firma W. GmbH war Eigentümerin eines in einem Sanierungsgebiet in B. gelegenen Mietshauses. Dieses wurde von ihr gem. § 8 Abs. 1 WEG in 24 Miteigentumsanteile geteilt, die anschließend verkauft wurden. 22 der Wohnungen - darunter die von der Klägerin erworbene Wohnung Nr. 18 im dritten Obergeschoss - waren schon vorhanden, während zwei weitere im Dachgeschoss erst noch ausgebaut werden sollten und später auch ausgebaut worden sind.

Entsprechend der zum Vertragsbestandteil gewordenen Baubeschreibung war das Gebäude umfassend zu renovieren. So waren u.a. Dacheindeckung nebst Rinnen und Fallrohren, Fenster, Heizung, Sanitär- und Elektroanlagen sowie Außen- und Innenanstriche zu erneuern. Baugenehmigungspflichtig war allein der Ausbau der beiden Wohnungen im Dachgeschoss.

Nachdem die Klägerin Anfang 2003 mehrfach vergeblich die Erledigung restlicher Putz- und Malerarbeiten u.a. an der Außenfassade, im Treppenhaus und im Keller verlangt hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 4.6.2003 den Rücktritt vom Vertrag. Sie beabsichtigt, ihre Ansprüche auf Rückabwicklung des Vertrages (Rückzahlung des bislang gezahlten Teilkaufpreises von 64.839,99 Euro) und Leistung von Schadensersatz (2.222,26 Euro Notarkosten etc.) gerichtlich geltend zu machen.

Die Beklagte hat die hierfür begehrte Deckungszusage verweigert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Baurisikoausschluss nach § 4 Abs. 1k ARB 75 greife nicht durch, weil die an ihrem Sondereigentum und am Gemeinschaftseigentum durchgeführten Renovierungsarbeiten nicht baugenehmigungspflichtig seien.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr bedingungsgemäß Rechtsschutz für die beabsichtigte Klage gegen die Firma W. GmbH, zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zwar seien die von der Verkäuferin der Eigentumswohnung geschuldeten Renovierungsmaßnahmen genehmigungsfrei. Sie könnten jedoch nur im Zusammenhang mit der genehmigungspflichtigen Errichtung der Dachgeschosswohnungen gewürdigt werden, so dass insgesamt der Baurisikoausschluss eingreife.

Das LG hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben.

Mit ihrer gegen dieses Urteil frist- und formgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für die beabsichtigte Klage Rechtsschutz zu gewähren. Die so genannte Baurisikoklausel des § 4 Abs. 1k ARB 75 steht nicht entgegen. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, "... die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen; ...".

Die Ausschlussklausel des § 4 Abs. 1k ARB 75 verfolgt den - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, erfahrungsgemäß besonders kostenträchtige, im Kostenrisiko schwer überschaubare und kaum kalkulierbare rechtliche Streitigkeiten um bestimmte Baumaßnahmen und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen.

Zum einen betrifft der Ausschluss danach nicht das, vom Baurisiko zu unterscheidende, mit der Anschaffung eines Gebäudes oder einer Eigentumswohnung verbundene Erwerbsrisiko (BGH v. 19.2.2003 - IV ZR 318/02, MDR 2003, 744 = BGHReport 2003, 602 = VersR 2003, 454; v. 10.11.1993 - IV ZR 87/93, MDR 1994, 893 = VersR 1994, 44; OLG Hamm v. 29.4.1981 - 20 U 273/80, VersR 1982, 61; v. 13.4.1983 - 20 U 340/82, VersR 1983, 1182; OLG Köln r + s 1997, 507; Böhme, ARB, 11. Aufl., § 4 Rz. 34b; Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., A...

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