Leitsatz (amtlich)

20.000 DM Schmerzensgeld für sog Schockschaden nach Unfalltod der Tochter.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Entscheidung vom 10.07.1998; Aktenzeichen 13 O 2920/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Juli 1998 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 DM in Anspruch und begehrt ferner die Feststellung, daß die Beklagten zum Ersatz aller weiteren materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet sind, die ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom 16.09.1995 entstehen.

Bei diesem Verkehrsunfall kam die Adoptivtochter des Klägers, die damals 17-jährige Anna H., ums Leben. Sie lebte mit ihrem Vater allein in einem gemeinsamen Haushalt, nachdem die Ehefrau des Klägers vor einigen Jahren an einem Krebsleiden verstorben war.

Am 16.09.1995 befand sie sich als Mitfahrerin in einem vom Beklagten zu 1) gesteuerten Pkw, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. Ausgangs einer Rechtskurve auf der ...straße in N. kam der Beklagte zu 1) infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit und überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Dabei wurde das Fahrzeug in zwei Teile zerrissen. Während der Beklagte zu 1) und ein weiterer vorne sitzender Beifahrer nur leicht verletzt wurden, erlitt die Tochter des Klägers schwere innere Verletzungen, an denen sie noch an der Unfallstelle verstarb.

Die Benachrichtigung von dem Unfalltod seiner Tochter führte bei dem Kläger zu schweren psychischen Beeinträchtigungen. Er wurde zunächst von einem Notarzt und sodann von seinem Hausarzt mit Beruhigungsmitteln behandelt. Am 22.09.1995 kam er in die Behandlung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, der wegen akuter Selbstmordgefahr die stationäre Einweisung des Klägers in eine psychosomatische Klinik veranlaßte. Dort hielt sich der Kläger in der Zeit vom 30.10.1995 bis zum 09.01.1996 auf. Nach seiner Entlassung blieb er in ärztlicher Behandlung; er ließ sich von seiner Tätigkeit als Bauführer bei der deutschen Telekom in den Innendienst versetzen.

Der Kläger hat behauptet, er leide aufgrund des Unfalls unter einer chronischen Depression, die Krankheitswert besitze. Er könne den Tod seiner Tochter nicht überwinden. Sein Leben erscheine ihm sinnlos. Er könne nachts nicht mehr durchschlafen, habe Alpträume und wache dann morgens schweißgebadet auf. Es sei nicht absehbar, wie lange er noch psychiatrischer Behandlung bedürfe.

Die Beklagten haben eine Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers von Krankheitswert bestritten. Die in dem Klinikbericht erwähnte Trauerreaktion und depressive Reaktion nach dem Tode der Ehefrau und Tochter sei nicht geeignet, Schadensersatzansprüche - erst recht nicht in der geltend gemachten Höhe - zu begründen, zumal der Unfalltod seiner Tochter nicht die alleinige und ausschlaggebende Ursache der gezeigten Symptome sei.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der Feststellung zum Ersatz weiterer immaterieller Schäden stattgegeben. Es ist - sachverständig beraten - zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger an einer anhaltenden mittelschweren Depression leidet, die auf den Unfalltod seiner Tochter zurückzuführen ist. Die Gesundheitsbeschädigung des Klägers gehe damit deutlich über das hinaus, was Nahestehende in derartigen Fällen erfahrungsgemäß als Beeinträchtigung erlitten. Nach den gesamten zu berücksichtigenden Umständen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 DM angemessen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie rügen, das Landgericht habe Widersprüche zwischen dem Vortrag des Klägers und dem zur Verurteilung führenden Gutachten des Sachverständigen nicht aufgeklärt. Deshalb könne nicht festgestellt werden, daß die chronische Depression des Klägers auf den Unfalltod seiner Tochter zurückzuführen sei. Vielmehr habe die schon vor dem Unfallgeschehen abnorme Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu den Beschwerden geführt. Weiterhin sei das zugesprochene Schmerzensgeld wesentlich überhöht und für eine Feststellung der weiteren Ersatzpflicht nicht dargetan.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen der Beklagten im einzelnen entgegen und verweist darauf, daß er nach dem Unfalltod seiner Tochter nicht nur einen sog. Schockschaden erlitten habe, sondern seit diesem Zeitpunkt psychisch krank sei. Von Widersprüchen zwischen seinem Vortrag und dem Gutachten könne keine Rede sein. Auch der Höhe nach sei das zuerkannte Schmerzensgeld nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die ...

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