Leitsatz (amtlich)
›1. Vor der operativen Korrektur einer Fehlstellung des Großzehs (Hallux valgus) muß über das Risiko einer (Teil-) Versteifung aufgeklärt werden.
2. Wegen einer eingetretener irreparabler Bewegungseinschränkung kommt ein immaterieller Schadensausgleich i.H. von 10000 DM [5000 EUR] einschließlich eines immateriellen Vorbehalts in Betracht.‹
Die Geschädigte ist im beruflichen wie privaten Bereich eingeschränkt; keine Ausübungen bevorzugter sportlicher Aktivitäten (v. a. Jazz- Tanz, Tennis, Aerobic); sie muß Schuhe mit Abrollhilfe tragen.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 10.05.1996; Aktenzeichen 8 O 3412/94) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Ersatz immaterieller Schäden und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige immaterielle und materielle Schäden im Zusammenhang mit einer operativen Korrektur einer Fehlstellung eines Großzehs.
Am 5.11.1992 operierte der bei dem Beklagten zu 1) beschäftigte Beklagte zu 2) die bei der Klägerin seit ihrer Kindheit bestehende Abknickung der linken Großzehe im Großzehengrundgelenk nach der Kleinzehenseite (Hallux valgus) nach der Methode Kramer. In der Folgezeit trat eine bis heute bestehende Bewegungseinschränkung des Gelenks ein.
Die Klägerin hat u.a. behauptet, sie sei über das Risiko der bei ihr infolge der Operation eingetretenen Versteifung der linken Großzehe im Sinne eines irreparablen Dauerschadens nicht aufgeklärt worden. Bereits nach kurzer Belastung leide sie an erheblichen Schmerzen beim Gehen und Stehen, so dass sie ihre Tätigkeit als Verkäuferin allenfalls noch drei bis vier Stunden ausüben könne.
Die Beklagten haben die Pflicht zu einer entsprechenden Aufklärung bestritten; ein solches Risiko habe nicht bestanden und es sei auch keine operationsbedingte Komplikation aufgetreten.
Das Landgericht hat sachverständig beraten der Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 DM zuerkannt und den Feststellungsanträgen auf Ersatz von Zukunftsschäden stattgegeben, da sie wegen unzureichender Aufklärung über das mit der Operation verbundene Versteifungsrisiko in den Eingriff nicht wirksam eingewilligt habe.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgen die Beklagten ihr Klagabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
Unter ergänzender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens greifen sie die Feststellungen des Landgerichts zu der Aufklärungspflichtverletzung an. Die Erläuterungen des Sachverständigen reichten dafür nicht, da er den Zusammenhang zwischen Versteifungsrisiko und der gewählten Operationsmethode nicht habe belegen können. Der vom Gericht herangezogene Perimed-Aufklärungsbogen betreffe lediglich die Aufklärung über Gelenkversteifungen infolge von Weichteilschwellungen. Ein aufklärungsbedürftiges Risiko habe sich bei der Klägerin nicht verwirklicht. Sie habe auch bei ihrer Operationseinwilligung nicht vor einem Entscheidungskonflikt gestanden. Zudem habe sich ihr Gesundheitszustand durch die Operation nicht verschlechtert. Angesichts dessen sei die Schmerzensgeldhöhe und die Feststellung, Zukunftsschäden ersetzen zu müssen, nicht zu rechtfertigen.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter ergänzender Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung und bekräftigt, dass sie sich bei der gebotenen Aufklärung mit einer Versteifung niemals einverstanden erklärt hätte. Ihre Beschwerden hätten gegenüber dem praeoperativen Zustand erheblich zugenommen.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 543 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg.
Ansprüche wegen fehlerhafter Behandlung sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr aufgegriffen. Die Beklagten haben aber gemäß den §§ 823 Abs. 1, 847 i.V.m. §§ 831 bzw. 31 BGB für den operationsbedingten Schaden Ersatz zu leisten, da die Klägerin mangels ausreichender Risikoaufklärung nicht wirksam in den Eingriff eingewilligt hat.
Die Angriffe der Berufung gegen den Haftungsgrund infolge unzureichender Aufklärung gehen insgesamt ins Leere.
Zu Recht hat das Landgericht die Pflicht der Behandlungsseite bejaht, Patienten über das (Teil-) Versteifungsrisiko vor solchen Operationen zu unterrichten. Der Gutachter begründet überzeugend die Pflicht zur Information über das Risiko von Bewegungseinschränkungen bei Korrekturosteotomien nicht mit der gewählten Methode als einer neben einer Anzahl anderer Operationsarten, sondern generell mit dem Arbeiten in Gelenknähe. Die von der Berufung gerügten fehlenden statistischen Erkenntnisse über die Kramer-Osteotomie in Bezug auf das Versteifungsrisiko sind mithin entbehrlich. Zusätzlich hat der Gutachter sich für seine Einschätzung bei dem Vizepräsidenten der deutschen Gesellschaft für Fußchirurgie, dem leitenden Oberarzt Dr. ... aus ... vergewissert, der bestätigt hat,...