Leitsatz (amtlich)

›1. Vor einer Operation des Hallux valgus (Deformität der Großzehe) muß über das Risiko von (Teil-)Versteifungen, nicht aber über die verschiedenen Operationsverfahren aufgeklärt werden.

2. Die bloße Stellung als Chefarzt einer Abteilung begründet keine Haftungsverantwortung.

3. DM 4000 Schmerzensgeld wegen unzureichender Operationsaufklärung und erheblicher Wundheilstörungen ohne weitere Dauerschäden.

4. Eine selbständige Gastwirtin kann ihren Erwerbsschaden nicht abstrakt nach der Höhe des Gehalts einer gleichwertigen Ersatzkraft berechnen.‹

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Entscheidung vom 28.01.1997; Aktenzeichen 3 O 86/95)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung der Beklagten zu 1) und 3) wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 28. Januar 1997 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin 4.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7.9.1995 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den im ersten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten trägt die Klägerin 39/40 und der Beklagte zu 3) 1/40.

Von den im zweiten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten trägt die Klägerin 10/11 und der Beklagte zu 3) 1/11.

Die Klägerin trägt die im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) voll und die des Beklagten zu 3) zu 13/14.

Die Klägerin trägt die im zweiten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) voll und die des Beklagten zu 3) zu 4/5.

Der Beklagte zu 3) trägt die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin zu 1/40 und die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Klägerin zu 1/11.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1) und 3) für ein Aufklärungsversäumnis anläßlich einer am 01.04.1992 durchgeführten Hallux valgus Operation auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes sowie auf Ersatz ihrer materiellen Schäden in Anspruch.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 32.508,-- DM (materielle Schäden), auf Ausgleich der immateriellen Beschwerden (Schmerzensgeldvorstellung: mindestens 15.000,-- DM) und auf Feststellung der Ersatzpflicht von Zukunftsschäden gerichteten Klage der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 3) in Höhe eines Schmerzensgeldbetrages von 4.000,-- DM nebst Zinsen stattgegeben, weil es als bewiesen angesehen hat, daß die Klägerin über die in Betracht kommenden Operationsmethoden und die mit dem Eingriff verbundenen speziellen Wundheilungsrisiken, die sich später tatsächlich verwirklicht haben, nicht ausreichend aufgeklärt worden ist. Behandlungsfehler hat das Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme nicht festgestellt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie u.a. unter Hinweis auf die ungewöhnlich starken Wundheilungsstörungen, das Verschulden der behandelnden Ärzte sowie die ohne ihre Einwilligung durchgeführte Operation ein weiteres Schmerzensgeld von 11.000,-- DM verlangt. Ferner verfolgt sie ihren Anspruch auf Erstattung der materiellen Schäden in Höhe von 6.000,-- DM weiter und trägt dazu vor, sie sei als selbständige Gastwirtin gezwungen gewesen, Aushilfskräfte mit einem Stundenlohn von 15,-- DM zu beschäftigen. Es sei durch das Sachverständigengutachten bewiesen, daß sie für acht Wochen zu 100 % und für vier weitere Wochen zu 50 % arbeitsunfähig gewesen sei. Ausgehend von einer 40-Stunden-Woche ergebe sich für den ersten Zeitraum ein Anspruch von 4.800,-- DM und für die folgende Zeit von 1.200,-- DM.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie

1. ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie

2. 6.000,-- DM Schadensersatz nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten zu 1.) und 3.) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlußberufung beantragen sie weiter,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist erfolglos, während die Anschlußberufung teilweise sachlich gerechtfertigt ist.

Der Klägerin steht nur gegen den Beklagten zu 3) ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 DM zu (§§ 823 Abs. 1, 831 und 847 BGB).

Da - wie nicht im Streit ist - den behandelnden Ärzten weder bei der Durchführung der Operation vom 1.4.1992 noch bei der Nachbehandlung der Klägerin Fehler unterlaufen sind (S. 5/6 der angefochtenen Entscheidung), kommen als Anspruchsgrundlage für die Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderung der Klägerin nur Aufklärungsvers...

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