Leitsatz (amtlich)

Honorarvereinbarung im Architektenvertrag mit Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI; Abrechnung nach Mindestsätzen als widersprüchliches Verhalten.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 09.05.2003; Aktenzeichen 13 O 105/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.5.2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Osnabrück wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9.5.2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Osnabrück teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.506,94 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin erbrachte im Auftrag der Beklagten, eines Bauunternehmens, Architektenleistungen für den Neubau einer Produktionshalle mit Verwaltungsgebäude. Sie verlangt von der Beklagten einen Teil des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der HOAI als Resthonorar sowie die Erstattung von Nebenkosten.

Wegen des Sachverhalts i.Ü. wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das LG hat der Klage i.H.v. 18.021,96 Euro nebst Zinsen stattgegeben und sie i.Ü. abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

1. das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 24.484,98 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2002 zu zahlen,

2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre Auffassung, dass sie infolge Unwirksamkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Honorarvereinbarung eine Vergütung nach den Mindestsätzen der HOAI verlangen könne. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf den Bestand der Honorarvereinbarung bestehe nicht.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin müsse sich an der Honorarvereinbarung festhalten lassen. Sie rügt die Auslegung der in dem Architektenvertrag enthaltenen Honoraranpassungsklausel durch das LG. Weiter rechnet sie mit einem Schadensersatzanspruch von 533,79 Euro wegen verspäteter Rechnungsprüfung auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen der Parteien sind zulässig. Erfolg hat jedoch nur die Berufung der Klägerin; diejenige der Beklagten ist in der Sache nicht begründet.

Die in dem Architektenvertrag vom 22./24.1.2001 enthaltene Honorarvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 und 2 HOAI unwirksam. Sie ist zwar schriftlich (BGB § 126) bei Auftragserteilung getroffen worden, es fehlt jedoch an einem Ausnahmefall gem. § 4 Abs. 2 HOAI. Zu dessen Voraussetzungen (vgl. dazu BGH v. 22.5.1997 – VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1 [7 f.] = MDR 1997, 729) tragen die Parteien nichts vor; Umstände, die einen Ausnahmefall begründen könnten, sind auch sonst aus den Akten nicht ersichtlich.

Die Parteien gehen schließlich zutreffend davon aus, dass die gem. § 4 HOAI erforderliche weitere Voraussetzung für die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung, nämlich die Unterschreitung der Mindestsätze, gegeben ist.

Die Klägerin ist infolge der Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung berechtigt, ihre Architektenleistungen nach den Mindestsätzen der HOAI abzurechnen. Das Urteil des LG beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung i.S.d. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO.

Die Klägerin ist hinsichtlich ihrer Vergütung nicht an die Honorarvereinbarung der Parteien gebunden. Zwar sind die Grundsätze der Bindung des Architekten an seine Schlussrechnung, die die Mindestsätze unterschreitet, auch auf eine Honorarvereinbarung übertragbar, die deshalb unwirksam ist, weil die Mindestsätze in nicht zulässiger Weise unterschritten worden sind (BGH v. 22.5.1997 – VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1 [9 f.] = MDR 1997, 729). Danach gilt für den Fall, dass die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar vereinbaren, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, dass der Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, sich widersprüchlich verhält. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und wenn er sich darauf in einer...

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