Leitsatz (amtlich)

Haftung wegen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Schadstoffemissionen aus einem Industriebetrieb.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 10.03.1995; Aktenzeichen 13 O 3391/92)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.3.1995 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg wird unter gleichzeitiger Abweisung der in der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2005 von der Klägerin gestellten Haupt- und Hilfsanträge zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung und der Revision.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter der P. GmbH & Co. KG (frühere Beklagte, im Folgenden: Schuldnerin) auf Schadensersatz wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Schadstoffemissionen in Anspruch.

Die im Jahre 1980 geborene Klägerin wohnte bis Ende Mai 1991 in der D.Straße... in O. Hiervon etwa 2 km entfernt betreibt die Schuldnerin südlich des O. Hafens an der R...straße zwei Lackieranlagen mit vier Lackierkabinen und eine weitere Lackieranlage mit einer Lackierkabine. Die Lackieranlagen sind nach dem Bundesemissionsschutzgesetz bestandskräftig genehmigt. Der frühere Wohnort der Klägerin liegt nordöstlich dieser Anlagen. Die Abluft der Lackieranlagen wird über zwei 85 bzw. 70m hohe Schornsteine abgeführt; die Abluft der thermischen Nachverbrennungsanlagen wird über jeweils 20m hohe Schornsteine ins Freie geleitet. Emissionen aus der Lackküche und dem Lacklager werden über Dachventilatoren nach außen geführt.

Zumindest seit Anfang 1990 gingen von den Lackieranlagen erhebliche Geruchsemissionen aus, die zu zahlreichen Beschwerden von Anwohnern führten. Der Geruch kam dem von Katzendreck nahe. Die Ursache des Geruchs waren chemische und Stoffwechselreaktionen in dem in einem geschlossenen Kreislauf geführten Waschwasser der Lackierkabinen.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Geruchsemissionen erstmalig im Dezember 1988 und dann verstärkt seit Herbst 1989 und im Laufe des Jahres 1990 aufgetreten seien. Noch im Frühjahr 1991 sei mehrfach katzendreckähnlicher Geruch wahrzunehmen gewesen. Mit den Geruchsbelästigungen seien die Grenzwerte der Betriebsgenehmigung überschreitende Schadstoffemissionen einhergegangen, insb. von Lösungsmitteln, aber auch von anderen toxischen chemischen Substanzen. Das habe bei ihr erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Ödembildung, Sehstörungen, Haarausfall, eine Schwächung des Immunsystems und anderes verursacht sowie ihre Schulunfähigkeit herbeigeführt. Insbesondere habe sie eine Lösungsmittelvergiftung erlitten; sie leide seitdem unter einer multiplen Chemikalienunverträglichkeit.

Ihre Erkrankung stehe in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Lackieranlagen und dem Auftreten der Geruchsemissionen. Die Krankheitssymptome seien stets aufgetreten, wenn katzendreckähnlicher Geruch geherrscht habe; dafür verweist sie auf die von ihrer Mutter geführten Aufzeichnungen. Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien typisch für Erkrankungen, die durch Rückstände von Lösungsmitteln, wie sie bei Lackierarbeiten anfielen, verursacht würden. Bei Aufenthalten außerhalb von O. und nach dem Wegzug aus O. seien derartige Krankheitssymptome nicht aufgetreten.

Anwohner des Werkes sowie Mitarbeiter der Schuldnerin hätten unter denselben oder ähnlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden gehabt. An der D. Straße wohnende Nachbarn hätten ebenfalls über vergleichbare Beschwerden geklagt.

Ihre Erkrankung sei auf den Betrieb der Lackieranlagen und die dabei ausgestoßenen Rückstände von Lösungsmitteln zurückzuführen. Die Schuldnerin habe die Grenzwerte der Betriebsgenehmigung nicht eingehalten. Neben Rückständen von Lösungsmitteln würden weitere toxische Stoffe durch die Schornsteine sowie durch Gebäudeöffnungen an die Umwelt abgegeben. Eine zusätzliche Gefahrenquelle stelle die Entsorgung des Waschwassers dar. Eine am 25.5.1990 aufgetretene Geruchsemission sei auf eine Anlagenstörung zurückzuführen. Die Schuldnerin, die das Problem des katzendreckähnlichen Geruchs seit längerem gekannt habe, habe zur Verhinderung solcher Emissionen gebotene Maßnahmen pflichtwidrig unterlassen.

Die Klägerin hat deshalb die Zahlung von Schmerzensgeld in Kapital- und Rentenform sowie die Feststellung der Pflicht der Schuldnerin zum Ersatz allen materiellen und immateriellen Schadens verlangt.

Die Schuldnerin hat behauptet, sie habe die Lackieranlagen bestimmungsgemäß betrieben und die Immissions- und Emissionswerte eingehalten. Die emittierten Schadstoffe lägen erheblich unter den erlaubten Grenzwerten und den Vorgaben der Betriebsgenehmigung. Das Auftreten von Geruchsemissionen im Jahr 1990 stelle eine Störung des bestimmungsgemäßen N...

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