Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 25.01.2011; Aktenzeichen 3 O 1875/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.1.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Oldenburg dahingehend geändert, dass der unter Ziff. 1 des Tenors ausgeurteilte, von den Beklagten zu zahlende Betrag anstelle der dort genannten 1860 EUR, 2.790 EUR beträgt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 6/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 4/10; die Kosten der zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein über die Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall.
Der Kläger befuhr mit seinem Transporter den rechten Fahrstreifen der Autobahn 2 bei Hannover. Als er sein Tempo verlangsamte, fuhr der Beklagte zu 3 mit dem von ihm geführten Lkw der Beklagten zu 2 auf den Transporter auf. Ein Ausweichmanöver reichte nicht mehr, um eine Kollision zu verhindern. Der Lkw berührte den hinteren linken Bereich des Transporters und kippte dann auf die Seite.
Das LG hat mit seinem im Übrigen in Bezug genommenen Urteil die Klage teilweise abgewiesen und ist dabei von einer Haftungsquote von 50 % ausgegangen.
Hiergegen richtet die Berufung des Klägers. Er vertritt die Auffassung, dass die Beklagten die vollständige Haftung für den Verkehrunfall tragen und wiederholt und vertieft dazu sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 25.1.2011 verkündeten Urteils des LG Oldenburg - Geschäftszeichen 3 O 1875/09 -, die Beklagten zu Ziff. 1 zur Zahlung weiterer 1.860 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.9.2008 zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 17, 7 StVO, 115 VVG i.H.v. 2.790 EUR.
Die Beklagten trifft, entgegen der Auffassung des Klägers keine vollständige Haftung. Der Unfall ist auch für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nicht unabwendbar gewesen. Er hat sich nicht als sog. Idealfahrer verhalten. Dazu reicht es bereits aus, dass er trotz erheblicher Geschwindigkeitsreduzierung von etwa 80 km/h auf etwa 40 km/h und einem merklichen, nicht unverzüglich zu behebenden Defekt am Fahrzeug die rechte Fahrbahn nicht vollständig verlassen und das Fahrzeug auf den Standstreifen gelenkt hat. Dass es aus technischen Gründen nicht möglich gewesen ist, vollständig auf den Standstreifen zu fahren, ist nicht ersichtlich. Weder hat der Kläger vorgetragen, dass der Standstreifen nicht befahrbar gewesen wäre, noch dass die Lenkung des Fahrzeugs nicht funktioniert hätte oder andere konkrete Gründe gegen ein solches Fahrmanöver gesprochen hätten.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist nach Ansicht des Senats eine Haftungsverteilung gem. § 17 Abs. 1 StVG von 1/4 zu 3/4 zu Lasten der Beklagten angemessen und das landgerichtliche Urteil insoweit zu ändern.
Das Verschulden des Beklagten zu 3 wiegt nach Ansicht des Senats schwerer als das des Klägers. Während dem Beklagten zu 3 vorzuwerfen ist, eine der Kardinalpflichten beim Fahren auf der Autobahn nicht eingehalten zu haben, nämlich den Sicherheitsabstand zu wahren und/oder mit der notwendigen Aufmerksamkeit zu fahren, reduziert sich der dem Kläger zu machende Vorwurf darauf, in einer Notsituation, die typischerweise mit Stress verbunden ist, suboptimal gehandelt zu haben und nicht alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen hinreichend schnell eingeleitet zu haben. Dies führt zu einer Gewichtung zugunsten des Klägers, ohne dass allerdings seine Haftung ganz zurückträte. Zwar trifft bei Auffahrunfällen grundsätzlich den Auffahrenden die volle Haftung. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Vorausfahrend, wie hier, ohne ausreichenden Grund seine Geschwindigkeit insbesondere auf Autobahnen erheblich verringert, § 3 Abs. 2 StVO. Zu diesen Fällen zählt auch die Verringerung der Geschwindigkeit wegen eines Defekts (vgl. Greger, Haftung des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 22 Rz. 160 m.w.N.).
...
Dies ergibt die dargelegten Haftungsquoten.
Soweit die Beklagten schließlich rügen, der Senat sei gehindert, seine Vorstellung davon, wie die Haftungsquoten nach § 17 StVG angemessen zu verteilen sind, an die Stelle der Einschätzung des LG zu stellen, ist dem nicht zu folgen. Die Beklagten beziehen sich insoweit auf die Rechtsprechung des BGH zum tatrichterlichen Ermessen.
Diese Auffassung ist unzutreffend und hat ihren Grund in einem falschen Verständnis von § 513 I ZPO. Zwar verweist diese Vorschrift, die die Berufungsgründe nennt, auf § 546 ZPO. Damit wird indessen nur die Legaldefinition des Rechtsfehlers aufgenommen. Demgegenüber hat der Reformgesetzgeber seinerzeit bei Neufassung des § 513 I ZPO mit diesem Verweis nicht etwa eine grundsätzliche Neujustierung der Prüfungskompetenzen des Berufungsgerichts vornehm...