Verfahrensgang

LG Osnabrück (Entscheidung vom 06.04.1992; Aktenzeichen 4 O 408/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Betragsverfahren über die Höhe des Ersatzes von materiellem und immateriellem Schaden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung.

Die Klägerin zu 1) kam am 17.2.1984 als erstes Kind der Kläger zu 2) und 3) schwerstgeschädigt im Krankenhaus X. Stift O. zur Welt, in dessen gynäkologischer Abteilung die Beklagten als Belegärzte tätig waren. Sie ist wegen einer hirnorganischen Schädigung in ihrer motorischen, geistigen und psychosozialen Entwicklung schwerstens behindert und ihr Leben lang voll auf intensivste Pflege und Betreuung angewiesen. Daneben ist sie blind und hat von Geburt an eine Lungengewebsschädigung.

Durch rechtskräftiges Grundurteil des Senats vom 15.5.1990 ist festgestellt worden, daß die von den Klägern in der Berufungsinstanz gestellten Anträge dem Grunde nach gerechtfertigt sind. Er hat damit eine Eintrittspflicht der Beklagten für die auf der hirnorganischen Schädigung beruhenden Schäden ausgesprochen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß den Beklagten bei der Behandlung der Klägerin zu 2) und damit verbunden der Klägerin zu 1) grobe Behandlungsfehler unterlaufen sind. Hingegen haben die Beklagten für die Blindheit, die auf die frühzeitige Geburt und nicht auf Behandlungsfehler zurückzuführen ist, nicht einzustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Grundurteil des Senats vom 15.5.1990 (Bd. III Bl. 51 ff d.A.) verwiesen.

Die Klägerin zu 1) hat behauptet, bis Februar 1986 sei ihr ein Mehraufwand gegenüber einem gesunden Kind von 75,- DM für Heil- und Hilfsmittel sowie von 2.100,- DM für eine stundenweise eingesetzte Pflegekraft entstanden. Den Klägern zu 2) und 3) seien ferner in dieser Zeit erhöhte Fahrtkosten in Höhe von 4.608,- DM zum Zwecke des Besuchs der Klägerin zu 1) entstanden. Die Klägerin zu 1) lebe seit Mitte Juni 1990 in einem Kinderwohnheim. Bis zu diesem Zeitpunkt seien darüberhinaus ein Mehraufwand an Nahrung, Körperpflege, Heizkosten, Stromverbrauch, Wäsche und Aufwendungen für Urlaubsvertretungen sowie erhöhte Fahrt- und Telefonkosten in Höhe von insgesamt 37.536,61 DM entstanden. Außerdem waren die Kläger zu 2) und 3) der Ansicht, ihnen sei für diese Zeit ein Betreuungsaufwand von 100,- DM pro Monat, insgesamt 5.200,- DM, zu ersetzen, da sie wegen der ständig notwendigen Beaufsichtigung der Klägerin zu 1) erhebliche Einbußen an Lebensqualität gehabt hätten.

Die Klägerin zu 1) hat beantragt,

den Beklagten zu l) zu verurteilen, an sie

1. 6.783,- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit,

2. weitere 42.736,61 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit,

3. ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie

4. eine angemessene Schmerzensgeldrente zu zahlen.

Die Kläger zu 1) bis 3) haben beantragt,

festzustellen, daß die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihnen den materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind, der Beklagte zu 1) darüber hinaus verpflichtet ist, den Klägern den immateriellen Schaden aus Anlaß der Geburt vom 7.2.1984 zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben den materiellen Schaden mit Nichtwissen bestritten und sich darauf berufen, daß den Klägern nur der Mehraufwand zu ersetzen sei, der dadurch entstehe, daß die Klägerin zu 1) zusätzlich zu ihrer Blindheit und der Lungengewebsschädigung ein Hirnschaden erlitten habe.

Nach Beweiserhebung durch Einholung eines kinderpsychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. T. hat das Landgericht Osnabrück durch Schlußurteil vom 6.4.1992 den Beklagten zu 1) verurteilt, an die Klägerin zu 1) - entsprechend ihres Klageantrages zu 1. - 6.783,- DM sowie - hinsichtlich ihres Klageantrages zu 2. - 37.536,61 DM als materiellen Schadensersatz, sowie - entsprechend ihres Klageantrages zu 3) und 4) - 150.000,- DM Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 31.10.1986 und eine monatliche Schmerzensgeldrente von 500,- DM ab dem 1.5.1992 zu zahlen.

Zudem hat es festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern zu 1) bis 3) den gesamten materiellen Schaden, soweit die Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind, und der Beklagte zu 1) darüberhinaus verpflichtet ist, den Klägern zu 1) bis 3) den gesamten anläßlich der Geburt entstandenen immateriellen Schaden zu ersetzen. In Höhe der als Betreuungsaufwand verlangten 5.200,- DM hat es die Klage abgewiesen

Das Landgericht hat ausgeführt, der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes komme im Verhältnis zur Klägerin zu 1) zwar über eine symbolische Wiedergutmachung hinaus keine Bedeutung zu, doch rechtfertige allein die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes die Zuerkennung eines Betrages in außerordentlicher Höhe.

Die Klägerin zu 1) sei nur aufgrund ihrer von den Beklagten zu vertretenen hirnorganischen Schädigung motorisch in schwerster Weise behindert. Sie erleide Schmerzen un...

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