Leitsatz (amtlich)
Voraussetzungen für den Nachweis grober Fahrlässigkeit gem. § 61 VVG in der Fahrzeugversicherung bei Einnicken am Steuer (gegen OLG Hamm VersR 1997, 961).
Tatbestand
Es ist nicht hinreichend dargetan oder gar bewiesen, dass der Bruder des Klägers - als dessen Repräsentant - den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 61 VVG). Es mag sein, dass nach den Ermittlungen der Polizei davon auszugehen ist, dass er am Steuer eingenickt ist und allein deshalb mit dem versicherten Fahrzeug bei Dunkelheit auf gerader Straße nach rechts von der Fahrbahn abgekommen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH rechtfertigt indes allein die Tatsache des Bewusstseinverlusts auf einer für die Konzentration günstigen Strecke noch nicht die Schlussfolgerung auf grobe Fahrlässigkeit (BGH VersR 1977, 619, 620). Der neuerdings in der obergerichtlichen Rechtssprechung vertretenen Ansicht, einem Einnicken am Steuer gingen stets unübersehbare Anzeichen voraus, deren Nichtbeachtung in der Regel grob fahrlässig sei, sodass nur besondere Anhaltspunkte, die das Verhalten des Fahrers in einem milderen Licht erscheinen ließen, den Schluss auf grobe Fahrlässigkeit verhindern könnten (OLG Hamm VersR 1997, 961 und OLG Hamm ZfS 1998, 182), vermag sich der Senat auf Grund seiner in langjähriger Praxis unter sachverständiger Beratung gewonnenen und immer wieder angewandten Kenntnisse nicht anzuschließen. Es müssen vielmehr Umstände festgestellt werden können, die den Schluss darauf zulassen, dass der Fahrer sich über von ihm erkannte deutliche Vorzeichen der Ermüdung bewusst hinweggesetzt hat. Nur dann kann das Verschulden des Fahrers als grobe Fahrlässigkeit eingeordnet werden (BGH a.a.O., OLG Frankfurt MDR 1998, 215).
Entscheidungsgründe
Derartige Umstände sind vorliegend konkret nicht aufgezeigt. Der Vortrag der Beklagten läuft vielmehr auf die schlichte Behauptung hinaus, ein Einschlafen am Steuer finde niemals ohne Vorankündigung statt. Das reicht indes nicht aus, weil nicht feststeht, dass Vorzeichen für das drohende Einschlafen am Steuer immer so deutlich sind, dass ihr Verkennen dem Fahrer nicht nur zum Verschulden, sondern in subjektiver Hinsicht zum groben Verschulden gereicht (vergl. BGH a.a.O.). Die Beklagte hat nicht substantiiert dargetan, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu dieser Frage vorliegen, sodass ihrem bloßen Beweisantritt auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu folgen ist. Der Umstand, dass der Bruder des Klägers am Tag vor dem Diskothekenbesuch, nach dem es zum Versicherungsfall gekommen ist, "schwer gearbeitet" haben mag, rechtfertigt ebensowenig den Schluss, dass dem Einschlafen deutliche Vorzeichen der Ermüdung vorausgegangen sein müssen, über die er sich bewusst hinweggesetzt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 3030513 |
NJW-RR 1999, 469 |
NJW-RR 1999, 469 (Volltext mit amtl. LS) |
ZAP 1998, 710 |
NVersZ 1999, 80 |
NVersZ 1999, 80-81 |
NZV 1999, 212 |
VersR 1999, 1105 |
VersR 1999, 1105 (Volltext mit amtl. LS) |
OLG-Rspr 1999, 4 |
OLGR-CBO 1999, 54 |