Leitsatz (amtlich)

Torfabbau ist Bergbau: Die Ausschlussklausel in einem Rechtsschutzversicherungsvertrag, wonach kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Bergbauschäden an Grundstücken und Gebäuden besteht, umfasst auch Schäden, die infolge des Abbaus von Torf entstanden sein sollen.

 

Normenkette

ARB 2010 § 3 (1) lit. c; VVG § 1 S. 1, § 125

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 9 O 1419/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.11.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Senats vom 29.04.2021 festgesetzt auf bis zu 22.000,- EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (Stand: 1.4.2011) zugrunde liegen (nachfolgend: ARB-RU 2010). Danach gewährt die Beklagte dem Kläger Versicherungsschutz unter anderem für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dinglichen Rechten, die Grundstücke, Gebäude oder Gebäudeteile zum Gegenstand haben (§ 2c) ARB-BU 2010). Die Bedingungen enthalten in § 3 (1) c ARB-BU 2010 einen Risikoausschluss, wonach kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Bergbauschäden an Grundstücken und Gebäuden besteht.

Der Kläger ist Eigentümer eines Wohnhauses in Ort1, an dem im Sommer 2019 in erheblichem Umfang Risse in den Wänden auftraten. Er beabsichtigt die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die DD GmbH & Co. KG, die in der Nähe des klägerischen Wohnhauses Torf abbaut. Ziel des Beweisverfahrens ist die Feststellung des Umfangs der an seinem Haus aufgetretenen Schäden, der Ursächlichkeit des Torfabbaus sowie des erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwands.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für das beabsichtigte Beweisverfahren. Die Beklagte beruft sich auf den in § 3 (1) c) ARB-BU 2010 normierten Risikoausschluss.

Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für das in Aussicht genommene Beweisverfahren Rechtsschutz zu gewähren. Die in § 3 (1) c) ARB-RU normierte Ausschlussklausel finde keine Anwendung, da es sich bei dem seitens des Klägers geltend gemachten Schaden nicht um einen Bergbauschaden handele. Ein verständiger Versicherungsnehmer verstehe unter dem Begriff des Bergbaus nicht den Abbau von Torf, da dieser nicht aus Bergen und zudem oberirdisch gewonnen werde. Regionen, in denen zwar der breitflächige, aber nicht erheblich in die Tiefe gehende Abbau von Torf erfolge, würden nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht als "bergbaugefährdete Gebiete" verstanden. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer bringe mit dem Begriff "Bergbauschaden" den Abbau von Kohle, Erzen und Salzen in Verbindung, nicht dagegen den Abbau von Torf. Da Ausschlusstatbestände eng auszulegen seien, sei eine erweiternde Auslegung des Begriffs "Bergbauschaden" nicht zulässig.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 25.11.2020, Az. 0 O 1419/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet.

Dem Kläger steht aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag kein Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Rechtsschutz für das in Aussicht genommene Beweissicherungsverfahren gegen die DD GmbH & Co. KG zu.

Zwar handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dinglichen Rechten, die Grundstücke bzw. Gebäude zum Gegenstand haben. Vorliegend greift jedoch der in § 3 (1) c) ARB-RU 2010 normierte Risikoausschluss, wonach kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Bergbauschäden an Grundstücken und Gebäuden besteht. Der dort verwendete Begriff "Bergbauschäden" umfasst für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend erkennbar auch Schäden, die infolge des Abbaus von Torf an Gebäuden und Grundstücken entstehen.

1. Die Auslegung des in der Klausel verwendeten Begriffs "Bergbauschäden" richtet sich danach, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diesen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs v...

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