Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 8 O 1855/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.07.2017 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (einschließlich der Berufung) werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Der Durchsetzbarkeit des von dem Landgericht zugesprochenen Schadensersatzanspruch von 4.618,71 EUR zuzüglich Zinsen wegen der Beerdigungskosten, der richtigerweise auf § 844 Abs. 1 BGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Niedersachsen (BestattG) zu stützen wäre, steht gemäß § 214 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen.

Der geltend gemachte Anspruch verjährt gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der ersatzberechtigte Geschädigte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Einstandspflichtigen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Die hiernach maßgebende Kenntnis der Klägerin lag bereits im Jahr 2010 vor, sodass mit Ablauf des Jahres 2013 Verjährung eintrat. Die Einreichung bzw. die Zustellung der Klage erfolgte aber erst am 16.08.2016 bzw. 15.09.2016.

Die Verjährungsfrist beginnt dann zu laufen, wenn dem Geschädigten oder seinem gesetzlichen Vertreter bei seinem Wissens- und Kenntnisstand die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen eine bestimmte Person - sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - zumutbar ist (vgl. BGH NJW 2017, 949 m.w.N.).

Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen ist hierbei nicht schon dann zu bejahen, wenn dem Patienten bzw. dem Anspruchsberechtigten der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist; der Patient bzw. der Anspruchsberechtigte muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolgs schließen können, wozu er nicht nur die Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassens bzw. die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen muss, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren; zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen gehört insofern das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat. Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Patienten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arztes oder auf die Ursache dieses Verhaltens für einen Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2009 - VI ZR 247/08 = VersR 2010, 214; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 2014, Rn. V 22 f jeweils m.w.N.). Dazu muss der Patient über den Behandlungsverlauf, eingetretene Komplikationen und das Abweichen vom ärztlichen Standard so viel wissen, dass ihm bei zutreffender medizinischer und rechtlicher Subsumtion ohne weitere Ermittlung etwa bisher verborgener Fakten eine Einschätzung der Prozessaussichten möglich ist. Es kommt insoweit allerdings nicht darauf an, ob der geschädigte Patient selbst zu einer solchen Beurteilung der ihm bekannten Tatsachen in der Lage ist, geschweige denn darauf, dass er subjektiv auch zu der "Erkenntnis", "sicheren Überzeugung" oder auch nur zu einem "Verdacht" gekommen ist, der Arzt habe fehlerhaft gehandelt (vgl. BGH NJW 1984, 661). Eine Gewissheit ist für eine Kenntnis nicht erforderlich. Der Verjährungsbeginn setzt ebenso nicht voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. BGH NJW 2001, 885). Es muss dem Patienten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit eines schadensursächlichen ärztlichen Fehlverhaltens (vgl. BGH NJW 2017, 949 m.w.N.).

Die hiernach maßgebende Kenntnis hat bei der Klägerin Ende des Jahres 2010 vorgelegen.

Bereits in ihrem Schreiben vom 13.11.2010 hat die Klägerin den letztlich von dem Sachverständigen Dr. L. bestätigten Vorwurf der fehlerhaften Behandlung erhoben, nämlich, dass man es unterlassen habe, den verstorbenen Ehemann in die Dermatologie bzw. bei Verschlechterung seines Zustandes auf die Intensivstation zu verlegen und dass deshalb die Antibiotikatherapie verspätet begonnen worden sei. Sie hat...

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