Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Verjährung im Arzthaftungsrecht.
2. Kennt der Patient den gesamten Behandlungsverlauf einschließlich der Bedeutung von Kontrolluntersuchungen und äußert sich ein qualifizierter Nachbehandler eindeutig zum Vorgehen des Vorbehandlers - "dem gehört in den Arsch getreten" - liegt Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 2 BGB vor.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 30.09.2015; Aktenzeichen 16 O 72/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.9.2015 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, 16 O 72/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist, ebenso wie das angegriffene Urteil, vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der auf Grund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aufgrund eines behaupteten ärztlichen Fehlverhaltens geltend.
Sie begab sich im November 2009 in die Behandlung des Beklagten, eines niedergelassenen Augenarztes. Dieser stellte eine Netzhautprominenz fest und überwies die Klägerin zur weiteren Diagnostik an die Augenklinik im Knappschaftskrankenhaus Sulzbach. Nach entsprechenden Untersuchungen, insbesondere einer Fluoreszenzangiographie wurden die Diagnose Hämangiom gestellt und regelmäßige Kontrollen im Hinblick auf eine etwaige Größenzunahme empfohlen. Eine erste Kontrolluntersuchung beim Beklagten fand im Januar 2010 statt.
Da die Klägerin befürchtete, die Erkrankung könne vom Kopf her kommen, ließ sie eine MRT-Untersuchung durchführen. Den Befund legte sie dem Beklagten bei der weiteren Kontrolluntersuchung am 25.5.2010 vor. In diesem ist eine 9 × 4 mm große hypointense Formation der linken lateralen Retina beschrieben.
Die weitere Kontrolluntersuchung am 9.9.2010 konnte nicht unter Weitstellung der Pupille - getropftes Auge - erfolgen, da die Klägerin mit dem eigenen PKW angereist war.
Im Rahmen der nächsten Folgeuntersuchung am 4.11.2010 äußerte der Beklagte den Verdacht auf das Vorliegen eines Aderhauttumors und verwies die Klägerin zur weiteren Diagnostik an die Augenklinik in Sulzbach. Da die Klägerin dort kurzfristig keinen Termin bekam stellte sie sich am 12.11.2010 in der Augenklinik des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg vor. Dort wurde der Verdacht auf einen bösartigen Netzhauttumor gestellt und die Klägerin in das Universitätsklinikum Essen überwiesen, wo sie sich am 17.11.2010 vorstellte. Dort erfolgte eine sog. Brachy-Therapie mit Ruthenium zur Behandlung des Tumors. Das Augenlicht des linken Auges der Klägerin konnte nicht mehr erhalten werden.
Auf Veranlassung der Krankenkasse der Klägerin wurde im Sommer 2012 ein augenfachärztliches Gutachten eingeholt, bezüglich dessen Inhalts auf Bl. 23 ff. d.A. Bezug genommen wird.
Die Klägerin, die ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro für gerechtfertigt hält, hat behauptet, bei ordnungsgemäßer Untersuchung im Mai 2010 hätte bereits eine deutliche Vergrößerung des Tumors festgestellt werden können. Bei einer danach gebotenen rechtzeitigen Überweisung in eine Augenklinik hätte es bessere Behandlungsmöglichkeiten gegeben und wäre es nicht zu einem vollständigen Verlust des Augenlichts gekommen. Vor dem Termin am 9.9.2010 habe sie der Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass sie nicht mit dem eigenen PKW anreisen dürfe, da die Augen getropft würden. Die Dringlichkeit der Nachholung dieser Untersuchung sei nicht erläutert worden.
Die Klägerin ist weiter der Ansicht, der Beklagte habe sich nicht auf die Verdachtsdiagnose der Augenklinik in Sulzbach - Hämangiom - verlassen dürfen.
Mit der im April 2015 eingegangenen Klage hat die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab dem 18.01.2014 zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen künftigen Schaden zu ersetzen, soweit er nicht auf gesetzliche Versicherungsträger übergegangen ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat Behandlungsfehler in Rede gestellt und die Einrede der Verjährung erhoben. Insoweit ist er der Ansicht, dass die erforderliche Kenntnis auf Seiten der Klägerin bereits Ende 2010 vorgelegen habe.
Mit am 30.9.2015 verkündetem Urteil (Bl. 75 ff. d.A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG Saarbrücken, das die Klägerin zuvor informatorisch gehört hat (Bl. 65 f. d.A.), die Klage abgewiesen, da der Durchsetzbarkeit etwaiger Ansprüche die Verjährungseinrede entgegenstehe.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Ansicht, die den Lauf d...