Leitsatz (amtlich)

Der formelhafte Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter Gebäude ist auch in einem notariellen Individualvertrag unwirksam, wenn die Freizeichnung nicht mit dem Erwerber unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert worden ist.

Ansprüche des Erwerbers aus Mängeln neu errichteter Gebäude richten sich nach Werkvertragsrecht, wenn sich aus dem Vertragsinhalt, dem Zweck, der wirtschaftlichen Bedutung und der Interessenlage die Verpflichtung des Veräußerers zur mangelfreien Errichtung des Bauwerks ergibt.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 23.06.2006; Aktenzeichen 1 O 364/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.6.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Osnabrück unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 56.156 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 38.525 EUR seit Rechtshängigkeit (23.12.2005) und auf 17.631 EUR seit dem 14.12.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) ist, veräußerte mit einem als "Grundstückskaufvertrag" bezeichneten notariellen Vertrag vom 18.12.2000 (UR-Nr. .../2000 des Notars Dr. jur. L. in L.) ein mit einem Geschäftsgebäude bebautes Grundstück in A. an den Kläger. Der Kaufpreis betrug 5.080.000 DM. In § 7 Ziff. 2., 3. und 5. heißt es:

"Der Verkäufer übernimmt keine Haftung bzw. Gewähr für Fehler, Sach- und Rechtsmängel und für die Eigenschaften des Vertragsobjekts als solchem, insbesondere nicht für bestimmte Größe, Güte, Verwertbarkeit und Beschaffenheit des Grundbesitzes und des Gebäudes, baulicher Anlagen und Einrichtungen und für die Belastung des Grund und Bodens mit Ablagerungen und Verunreinigungen (umweltschädliche Altlasten). Maßgeblich für die Grundstücksgröße ist die katasteramtliche Feststellung.

Der Käufer hat das Vertragsobjekt eingehend besichtigt und kennt den derzeitigen Zustand. Der Verkäufer versichert, dass er keine wesentlichen Sachmängel kennt, die bei einer Besichtigung ohne besondere Sachkunde nicht erkennbar sind und dass ihm keine Altlasten bekannt sind. Ihm ist nach Belehrung durch den Notar bekannt, dass er insoweit eine Offenbarungspflicht ggü. dem Käufer hat, um nicht wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels zu haften. Das Vorhandensein von verdeckten Mängeln kann nicht ausgeschlossen werden.

Der Notar hat die Parteien zur Gewährleistungsregelung ausdrücklich belehrt."

Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die notarielle Urkunde vom 16.12.2000 Bezug genommen.

Auf dem verkauften Grundstück hatte die Beklagte zu 1) im Jahr 2000 ein Geschäftsgebäude (C ...-Markt) errichtet; das Gebäude wurde im Sommer 2000 (so der Kläger) oder im Mai 2000 (so die Beklagten) fertiggestellt und ist entweder seit Juni oder seit Juli 2000 vermietet.

Der Kläger hat behauptet, an dem Gebäude des C ...-Markts seien erhebliche Baumängel vorhanden; wegen der Mängel im Einzelnen wird auf die Auflistung S. 2 unten der Klageschrift Bezug genommen. Die Mängelbeseitigungskosten beliefen sich auf mindestens 38.525 EUR netto. Diesen Betrag fordert er als Schadensersatz, nachdem die Beklagten sich vorprozessual auf einen vertraglichen Gewährleistungsausschluss berufen und das Vorhandensein von Mängeln bestritten haben. Er vertritt die Auffassung, auf das Vertragsverhältnis der Parteien sei Werkvertragsrecht anzuwenden. Der in dem notariellen Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss sei unwirksam. Es handele sich um eine formularmäßige Klausel; des Weiteren habe der Notar bei der Beurkundung nicht ordnungsgemäß und hinreichend über die Bedeutung und die Tragweite der Klausel belehrt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 38.525 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem durch die Mängel (fehlerhafte Verklammerung der Dachfläche, mangelhafte Überdeckung am First, mangelhafte Bleieinfassung am Lüfter, fehlerhafter Anschluss der Unterdeckplatten an die Lüfteraggregate, fehlerhafte Traufausbildung und Hinterlüftung der Dachfläche, mangelhafte Mauerabdeckung aus Zinkblech) an dem Geschäftshaus C.-Markt, A., R. Straße, errichtet auf den Flurstücken .../... und .../... der Gemarkung A., Flur ..., bereits entstanden ist oder noch entste...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?