Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteil
Leitsatz (amtlich)
Fehlende Unentgeltlichkeit bei Entlohnung für 30-jährige Sprechstundenhilfetätigkeit der Ehefrau – Indizwirkung eines nach 20 Jahren verfaßten Darlehensschein
Leitsatz (redaktionell)
Zur fehlenden Unentgeltlichkeit einer Zuwendung bei Entlohnung für eine 30jährige Sprechstundenhilfetätigkeit der Ehefrau des Erblassers.
Normenkette
BGB § 2303
Tatbestand
Der Kläger begehrt den Pflichtteil nach seinem 1994 verstorbenen Vater, der von der Beklagten, Ehefrau aus zweiter Ehe, allein beerbt worden ist. Die Parteien streiten über den der Pflichtteilsberechnung zugrundezulegenden Nachlaßwert.
In der Berufungsinstanz ist nur noch im Streit, ob dem vom Landgericht festgestellten Aktivbestand des Nachlasses in Höhe von 689.745,33 DM die bewegliche Habe des Erblassers mit einem Schätzwert von 480.000,00 DM hinzuzurechnen und von dem Passivbestand in Höhe von 1.082.366,80 DM die Position, Darlehen der Beklagten” über ca. 480.000,00 DM abzuziehen ist.
Das Landgericht hat bereits durch Teilurteil vom 12.06.1996 u.a. die auf Auskunft und Wertermittlung der beweglichen Gegenstände des Erblassers gerichtete Klage abgewiesen. Der Erblasser habe seine Mobilien nebst einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück … in Aurich der Beklagten übertragen als Ausgleich für ihre unstreitig ca. 30 Jahre andauernde unentgeltliche Mitarbeit als Sprechstundenhilfe in seiner Praxis. Aus diesem Grunde hat es die Mobilien auch bei der Nachlaßwertermittlung außer acht gelassen. Der Darlehensbetrag sei hingegen entsprechend dem Schuldschein vom 04.07.1991 über 240.000,00 DM Kapital nebst 5 % Zinsen seit dem 01.01.1973 zu berücksichtigen. Wegen des Überschusses des Passivnachlasses hat es die Pflichtteilsklage abgewiesen.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Pflichtteilsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat rechts- und verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß zum Aktivnachlaß wegen der erfolgten Übertragung auf die Beklagte nicht die bewegliche Habe aus dem Vermögen der Eheleute L… und zum Passivnachlaß auch der durch Schuldschein ausgewiesene Darlehensbetrag gehört. Danach und auf der Grundlage der von der Berufung hingenommenen weiteren Positionen der Nachlaßberechnung übersteigt der Passivnachlaß den Aktivnachlaß (§ 2311 BGB); ein Pflichtteilsanspruch des Klägers gemäß § 2303 BGB besteht nicht.
Den Pflichtteilsberechtigten trifft bei der gerichtlichen Durchsetzung eines Pflichtteilsanspruchs die Beweislast für sämtliche Tatsachen, die Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs beeinflussen, wobei zu seinen Gunsten lediglich bei der Beweiswürdigung eine etwaige Verletzung von Auskunftspflichten des Erben berücksichtigt werden kann. Bei Pflichtteilsergänzungen infolge von Schenkungen muß daher auch der Pflichtteilsberechtigte beweisen, daß der angeblich verschenkte Gegenstand zum fiktiven Nachlaß gehört. Das umfaßt bei einem Vergleich von Leistung und Gegenleistung den Nachweis beider Werte; insoweit wird nur bei einem auffallend groben Mißverhältnis vermutet, daß sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit einig waren (vgl. zum ganzen statt aller Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2317 Rn. 9 und § 2325 Rn. 18 m.w.N.). Diesen Beweispflichten hat der Kläger auch mit seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht genügen können.
Nach dem schriftlichen Übertragungsvertrag vom 16.02.1990 hat der Erblasser seinen Eigentumsanteil an dem gesamten gemeinsamen beweglichen Vermögen auf seine Ehefrau übertragen. Mit dieser Vereinbarung haben die Eheleute – daran lassen Wortwahl und bezweckter Regelungsgehalt keinen Zweifel – die dingliche Zuordnung des gesamten beweglichen beidseitigen Vermögens auf die Ehefrau vorgenommen. Eine fortgeltende Allein- oder auch nur Miteigentumsstellung des Erblassers an den Mobilien sollte danach ausgeschlossen werden. Das wird durch den Zusatz, „soweit dies nicht schon … seiner Ehefrau zugeflossen ist”, noch verdeutlicht, der bekräftigt, daß sich die Übertragung insgesamt auf die Eigentumsrechte des Erblassers an der beweglichen Habe des Familienhausstandes bezieht.
Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung und ihres Vollzuges begegnet entgegen der Berufung keinen Bedenken. Dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz ist Genüge getan, da sich die Übertragung auf das ganze bewegliche Gut beziehen soll, soweit es im (Mit-)Eigentum des Erblassers stand. Eine Aufzählung der einzelnen Gegenstände und der Miteigentumsanteile bedarf es dafür nicht. Die jedenfalls konkludent erfolgte Vereinbarung eines sog. Besitzmittlungsverhältnisses für die sachenrechtliche Übertragung ergibt sich bereits aus dem familiären Fortbestand der Mitbenutzung des Erblassers zu seinen Lebzeiten; eine ausdrückliche Niederlegung dieses Nutzungsverhältnisses bedurfte es ebenfalls nicht.
Unsubstantiiert und unerheblich ist daher der Vortrag des Beklagten in der Berufung, der Erblasser habe an der aufgelisteten bew...