Leitsatz (amtlich)

1. Die Antragspflicht des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH aus § 64 Abs. 1 GmbHG bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH gilt gem. §§ 130a Abs. 1, 177a HGB entsprechend, wenn es um die Insolvenz einer Gesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG geht.

2. Bei Anzeichen einer wirtschaftlichen und finanziellen Krise einer GmbH hat ihr Geschäftsführer die Pflicht, sich durch Aufstellung eines Vermögensstatuts einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen und notfalls unter fachkundiger Prüfung zu entscheiden, ob eine positive Fortbestehungsprognose besteht.

3. Verstößt der Geschäftsführer gegen diese Pflicht, sich Informationen über die wirtschaftliche Lage der GmbH zu verschaffen, und hat er deswegen keine Kenntnis von der Überschuldung der GmbH, handelt er bezüglich der Unterlassung der Antragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG mit bedingtem Vorsatz.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 07.12.2008; Aktenzeichen 2 O 2685/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.02.2009; Aktenzeichen II ZR 142/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.12.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Osnabrück geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.009,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 und ferner vorprozessual entstandene Anwaltskosten i.H.v. 1.005,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH einer inzwischen insolventen Kommanditgesellschaft auf Bezahlung von Werklohnforderungen in Anspruch.

Die Firma H. Bauunternehmung GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die von dem Beklagten als Geschäftsführer vertretene Firma H. Verwaltungs - und Beteiligungs GmbH war, beauftragte im April und Mai 2006 die Klägerin mit der Ausführung von Heizungs-, Sanitär- und Klempnerarbeiten bei zwei Bauvorhaben in R. bzw. O. Außerdem führte die Klägerin bei einem weiteren Bauvorhaben im Auftrag der genannten Firma die Reinigung eines verstopften Abflusses aus. Aus diesen Tätigkeiten resultieren nach Abzug von Abschlagzahlungen unstreitige Forderungen der Klägerin i.H.v. insgesamt 34.009,63 EUR netto, auf die im August 2006 eine weitere Abschlagszahlung bezüglich der Arbeiten für das Bauvorhaben in R. i.H.v. 8.000 EUR erfolgt ist.

Nachdem über das Vermögen der Firma H. Bauunternehmung GmbH & Co. KG auf ihren Antrag vom 2.10.2006 durch Beschluss des AG Lingen vom 6.11.2006 (18IN 167/06) das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat die Klägerin den Beklagten als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin auf Bezahlung der noch offen stehenden Forderungen i.H.v. netto 26.009,63 EUR unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass die Insolvenzschuldnerin spätestens ab Januar 2006, also vor der Auftragserteilung an die Klägerin, überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Der der Insolvenzschuldnerin gewährte Kontokorrentkredit sei zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten gewesen und ihr seien für weitere Geschäfte keine weiteren Darlehen oder Kontokorrentkredite gewährt worden. Im Frühjahr 2006 hätten bereits Mahn- und Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Insolvenzschuldnerin begonnen. Dies habe der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH der Insolvenzschuldnerin gewusst und daher gegen seine Insolvenzantragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Der Beklagte habe zudem bereits am 30.1.2006 wegen Zahlungsrückständen der Insolvenzschuldnerin gegenüber von Baustofflieferanten ihm gehörende Fahrzeuge und Baumaschinen an die Baustofflieferanten zur Sicherheit übereignet. Außerdem habe der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH der Insolvenzschuldnerin die Begleichung von Abschlagzahlungen aus einem von der Insolvenzschuldnerin im Auftrag des Bauherrn S. in S. ausgeführten Bauvorhaben in S. nicht mehr auf das Konto der Insolvenzschuldnerin, sondern auf das neu errichtete Konto der von ihm erst wieder ab 1.1.2006 betriebenen Einzelfirma "H. Bauunterunternehmung, Inhaber A. H." eingezogen und dadurch der Insolvenzschuldnerin die ihr zustehenden Gelder entzogen.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.009,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 sowie vorprozessual entstandene Anwaltskosten von 512,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (20.11.2006) zu zahlen.

Der Bekl...

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