Leitsatz (amtlich)
1. Eine Wettbewerbshandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann vorliegen, wenn ein Marktforschungsunternehmen im Auftrag eines pharmazeutischen Herstellers per Telefax Ärzte gegen Zahlung eines Entgelts von 70 EUR zu einer Beteiligung an einer ca. 45-minütigen Befragung zur Behandlung bestimmter Krankheiten (hier Morbus Bechterew) zu gewinnen versucht.
Der Umstand, dass die Befragung ggü. den Ärzten als Teil einer wissenschaftlichen Untersuchung dargestellt wird, muss dem nicht entgegenstehen.
2. Eine solche ohne vorherige Einwilligung der Ärzte erfolgte Werbung per Telefax für eine entsprechende Befragung ist regelmäßig unlauter und wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG a.F. und § 7 Abs. 1 Nr. 3 UWG n.F.
Diese Werbung wird auch nicht durch die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt, jedenfalls dann nicht, wenn es bei der Befragung - wie sich aus der Würdigung der tatsächlichen Umstände des entschiedenen Falles ergibt - dem Meinungsforschungsunternehmen um kommerzielle Interessen geht und eine wissenschaftliche Auswertung des erhobenen Datenmaterials nicht festzustellen ist.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 26.04.2005; Aktenzeichen 14 O 10/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittels das am 26.4.2005 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des LG Osnabrück geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Dienstleistungen per Telefax zu bewerben, ohne dass eine Einwilligung des Adressaten zur Verwendung des Faxgeräts vorliegt.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, angedroht.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 189 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2005 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte, die ein Marktforschungsunternehmen betreibt, auf Unterlassung angeblich wettbewerbswidriger, per Telefax übersandter Werbung für die Mitwirkung an einer Befragung in Anspruch.
Am 19.4.2004 sandte die Beklagte an den Facharzt für Orthopädie Dr. H. in O. ein Telefaxschreiben, in dem auf eine durchzuführende Befragung von Ärzten zum Thema der Behandlung des "Morbus Bechterew" hingewiesen und für eine entsprechende Mitwirkung des Adressaten an dieser Befragung geworben wurde. Diese Befragung von Ärzten sollte im Auftrage eines führenden pharmazeutischen Herstellers unter Wahrung der Vertraulichkeit durchgeführt werden, für den einzelnen Arzt ca. 45 Minuten dauern und mit einem Honorar i.H.v. 70 EUR entlohnt werden.
Irgendwelche geschäftlichen Beziehungen oder sonstigen Kontakte bestanden damals zwischen der Beklagten und dem Arzt Dr. H. nicht.
Die Klägerin sieht in einer solchen Kontaktaufnahme per Telefax eine unzumutbar belästigende, unlautere Werbung nach § 1 UWG a.F., § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG n.F.
Sie hat die Beklagte auf Unterlassung solcher Telefaxwerbung bei fehlender Geschäftsbeziehung und fehlender Einwilligung des Adressaten sowie auf Ersatz ihres Bearbeitungsaufwandes i.H.v. 189 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, dass es hier nicht um eine Werbung gegangen sei, sondern um eine wissenschaftliche Untersuchung, die die medizinische Entwicklung fördern sollte und im öffentlichen Interesse gelegen habe. Sie habe auch keine Privatperson per Telefax angeschrieben, sondern einen Arzt, von dem sie ein entsprechendes Interesse an dieser Sache habe erwarten dürfen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abwägung der von der Beklagten verfolgten Ziele einerseits, die in einer wissenschaftlichen Untersuchung lägen, mit dem durch den Gesetzgeber in § 7 UWG bezweckten Schutz des Adressaten andererseits in diesem Fall dazu führte, dass nicht von einem unlauteren Wettbewerb ausgegangen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des vom LG zugrunde gelegten Sachverhalts und der Begründung dieser Entscheidung wird auf das Urteil der 14. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des LG Osnabrück vom 6.4.2005 Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie im Wesentlichen vor:
Das LG habe verkannt, dass es bei dem Faxschreiben letztlich um Werbung gegangen sei, jedenfalls stehe diese im Vordergrund und nicht eine wissenschaftliche Arbeit zur Entwicklung neuer Medikamente. Dies sei bereits aus dem Faxschreiben selbst zu entnehmen, in dem von der Durchführung einer wissenschaftlichen Untersuchung keine Rede sei, die Beklagte sich selbst vielmehr als ein unabhängiges Marktforschungsinstitut vorstelle und als Auftraggeber einen führenden pharmazeutischen Hersteller nenne. Der...