Leitsatz (amtlich)
1. Gegen Vereinbarungen zwischen einem Handelsvertreter und einem Unternehmer, nach denen nicht "ins Verdienen" gebrachte Provisionsvorschusszahlungen bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Handelsvertreter zurückzuzahlen sind, bestehen keine generellen Bedenken; auch nicht aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Kündigungserschwernis.
2. Die Frage, ob eine unzulässige, gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB, § 134 BGB unwirksame Kündigungserschwernis vorliegt, ist aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei kommt es insbesondere auf die Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen an, ferner auf den Zeitraum, für den die Zahlungen zurückzuerstatten sein sollen.
3. Eine unzulässige Kündigungserschwernis ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn vereinbarungsgemäß Provisionsvorschusszahlungen von maximal 6.000 EUR monatlich für einen Zeitraum von 36 Monaten erbracht werden sollen, die vereinbarte Höhe der Vorschüsse auf den vom Handelsvertreter selbst mitgeteilten Umsatzerwartungen beruht und sämtliche monatlich abgerechneten Provisionen bis zum Ablauf von 36 Monaten zunächst in das Provisions-/Vorschusskonto eingestellt - also auch über 6.000 EUR monatlich hinausgehende Provisionen zunächst nicht an den Handelsvertreter ausgezahlt - werden (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 26.11.2013, 13 U 30/13, NJW-RR 2014, 550 = IHR 2014, 109).
4. Der Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen ist keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB.
Normenkette
HGB § 89 Abs. 2 S. 1 Hs. 2; BGB §§ 134, 288 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 25.07.2014; Aktenzeichen 15 O 486/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 25.7.2014 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des LG Osnabrück geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.482,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2013 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2013 zu zahlen.
Wegen der weiter gehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Beklagte war in der Zeit vom 1.4.2012 bis zum 31.8.2013 als Handelsvertreter für die Klägerin tätig, die sich als Maklerin mit der Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen befasst. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Rückerstattung von Zahlungen, die sie während des Vertragsverhältnisses an den Beklagten erbracht hat.
Mit dem Handelsvertretervertrag vom 23.9.2011 wurde eine "Fixumsvereinbarung" geschlossen, die monatliche Zahlungen der Klägerin an den Beklagten in Höhe von 6.000 EUR vorsah. Diese Vereinbarung wurde später - am 4.10./12.11.2012 - durch eine neue "Fixumsvereinbarung" ersetzt, die auszugsweise wie folgt lautet:
"1. Der Vertriebspartner [der Beklagte] erhält... anstelle der laufenden (im jeweiligen Monat abzurechnenden) Provisionen und Provisionsvorschüsse ein der Höhe nach auf seiner Einschätzung des zu erwartenden Umsatzerfolges basierendes Fixum in Höhe von mtl. 6.000,- EUR, beginnend mit dem 01.10.2012. Die Auszahlung des Fixums erfolgt am dritten Werktag des Folgemonats. Über die tatsächlichen Provisionen wird... [die Klägerin] gleichwohl abrechnen und bei Beendigung dieser Vereinbarung eine Schlussabrechnung nach Maßgabe der Ziff. 4 und Ziff. 5 dieser Vereinbarung vornehmen.
2...
3. Die Vereinbarung kann von beiden Seiten unabhängig vom Vertretungsvertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Unabhängig von einer Kündigung endet die Vereinbarung - ebenfalls unabhängig vom Vertretungsvertrag - nach Ablauf von 30 Monaten.
4. Im Monat nach Beendigung dieser Vereinbarung wird... die Schlussabrechnung vornehmen. Übersteigen danach die im Zeitraum der Gültigkeit dieser Vereinbarung abzurechnenden Provisionen das ausgezahlte Fixum, wird der Überschuss an den Vertriebspartner ausgezahlt. Sollte das Provisionskonto zu diesem Zeitpunkt einen Debetsaldo aufweisen, wird der Betrag durch den Vertriebspartner ausgeglichen. Dies gilt nicht, sondern der Debetsaldo ist vom Vertriebspartner unverzüglich auszugleichen, wenn
a) der Vertriebspartner die Vereinbarung gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat, oder
b)... die Vereinbarung bzw. den Vertretungsvertrag gekündigt hat und im Zeitpunkt der Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Vertriebspartners vorlag.
...
9. Mit Abschluss dieses Vertrages verlieren alle vorher getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich Fixum- und Garantiezahlungen ihre Gültigkeit und werden mit obigen Konditionen ersetzt. Der bestehende (zum Änderungsdatum) Provisionskontens...