Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung von Dienstleistungen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch. Pflichtteilsergänzungsanspruch. gemischte Schenkung. Bewertung von erbrachten Dienstleistungen. Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes
Leitsatz (amtlich)
Sind im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Schenkungen in der Vergangenheit erbrachte Dienstleistungen zu bewerten, so kommt die Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes des Geldes ("Indexierung") nicht in Betracht.
Normenkette
BGB §§ 516, 2325, 2303, 2311
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 16.11.2005; Aktenzeichen 10 O 999/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 16.11.2005 abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, über den durch das Urteil des LG bereits zuerkannten Betrag von je 16.990,46 EUR nebst Zinsen und von 5.537,10 EUR nebst Zinsen hinaus an die Klägerinnen jeweils weitere 50.569,33 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.2.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerinnen zu 38 %, der Beklagte zu 62 % zu tragen. Die Kosten der Berufung werden den Klägerinnen zu 28 %, dem Beklagten zu 72 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden.
Gründe
A. Die Klägerinnen sind die Töchter, der Beklagte ist der Sohn der am ... 2002 verstorbenen Frau H.B. Der Beklagte - ein ausgebildeter Bäcker- und Konditormeister - arbeitete zunächst, in den Jahren 1962-1972, in der Bäckerei und in der Gastwirtschaft, die von seinen Eltern betrieben wurde, ohne dafür eine entsprechende Vergütung zu erhalten. 1973 pachtete er die Bäckerei und die Gastwirtschaft von seinen Eltern an. Mit Testament vom 26.5.1998 setzte Frau H.B. ihren Sohn zu ihrem Alleinerben ein. Bereits zuvor, mit Übergabevertrag vom 20.4.1995, hatte sie diesem das Grundstück L. straße in B. "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" übertragen. Der Beklagte ließ die auf dem Grundstück errichtete Gaststätte und Stallgebäude abreißen und bebaute das Grundstück stattdessen im Jahre 2000 mit einem Wohn- und Geschäftshaus.
Zum Nachlass der Erblasserin gehörten neben Schmuck, Hausrat, Giro- und Sparguthaben insbesondere diverse - am R., in der G. straße und in der Lo ... straße in B. gelegene - Erbbaugrundstücke. Der Beklagte holte zum Verkehrswert dieser Grundstücke und des Grundstückes in der L. straße ... Verkehrswertgutachten des Sachverständigen V. ein, wofür ihm insgesamt 8.344,05 EUR in Rechnung gestellt wurden. Darüber hinaus führte er zwei Rechtsstreitigkeiten (LG Osnabrück, Az. 7 O. 2841/03, LG Münster, Az. 11 O. 114/04) gegen den ehemaligen Ehemann der Klägerin zu 2.), Herrn H.N., der sich einer Honorarforderung aus einem Architektenvertrag gegen die Erblasserin i.H.v. 57.364,19 EUR berühmt hatte. Diese konnten durch Vergleich erledigt werden: Der Beklagte zahlte zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche des Herrn N. 7.500 EUR. Darüber hinaus hatte die Erblasserin mit der Spar- und Darlehenskasse eG D. einen Vertrag zugunsten der Klägerinnen, betr. das Termineinlagekonto Nr. 20177.4.40 abgeschlossen. Gleichwohl zahlte die Bank das Guthaben auf dem Konto i.H.v. 5.537,10 EUR nach dem Tode der Erblasserin an den Beklagten aus. Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht; auf diese Forderungen zahlte der Beklagte insgesamt 55.308,64 EUR.
Mit der Klage haben die Klägerinnen weitergehende erbrechtliche Ansprüche verfolgt und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils 114.902,18 EUR nebst Zinsen sowie an sie als Gesamtgläubigerinnen weitere 5.537,10 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Dazu haben die Klägerinnen im Wesentlichen behauptet, der Privatgutachter V. habe den Wert der Erbbaugrundstücke mit 220.600 EUR zu niedrig angesetzt. Vielmehr betrage der Gesamtwert insgesamt 319.240 EUR. Zudem hätten zum Nachlass ihrer Mutter das Inventar der Kegelbahn, die Kücheneinrichtung mit Kühlraum sowie die Einrichtungen der Gaststätte, der Speise- und Gesellschaftsräume gehört, die einen Wert von jedenfalls 20.000 EUR verkörpert hätten. Bei den Passiva seien die Kosten für den Sachverständigen V. lediglich i.H.v. 5.215,05 EUR in Ansatz zu bringen. Soweit dieser weiter den Wert des inzwischen mit einem Verbrauchermarkt bebauten Grundstückes in der L. straße ... ermittelt habe, sei dies für die Berechnung ihrer Pflichtteilsforderungen entbehrlich gewesen. Zudem seien Schenkungen der Erblasserin zu berücksichtigen: Diese habe dem Beklagten das Betriebsgrundstück in der L. straße ... unentgeltlich zugewende...