Leitsatz (amtlich)
Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz des In-Verkehr-Bringens von Waren zu einem - angeblich - unzutreffenden Mehrwertsteuersatz.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 20.07.2006; Aktenzeichen 15 O 2360/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer - 3. Kammer für Handelssachen - des LG Oldenburg vom 20.7.2006 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien sind Konkurrenten auf dem Markt des Handels mit Tiernahrungsmitteln. Ihr Sortiment umfasst jeweils "Knabberohren", die aus Rinderohren hergestellt und von den Parteien zum Weiterverkauf in Deutschland eingeführt werden. Die Klägerin vertreibt die Knabberohren als Tierfutter mit einem Umsatzsteuersatz von 16 %. Die Beklagten bieten die Knabberohren als "Kauspielzeug für den Hund" an und legen bei der Veräußerung an Einzelhandelsunternehmen den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zugrunde.
Die günstigere umsatzsteuerrechtliche Zuordnung setzt voraus, dass die angebotenen Erzeugnisse nach veterinärrechtlicher Beurteilung für die menschliche Ernährung geeignet bzw. genießbar sind. Darüber streiten die Parteien. Die Steuerbehörden haben die ihnen vorgelegten Warenproben uneinheitlich beurteilt.
Die Klägerin sieht in der unterschiedlichen Besteuerung eine wettbewerbsverfälschende Ungleichbehandlung zu ihren Lasten. Sie hat behauptet, die Beklagten hätten sich die ihnen günstigen amtlichen Erklärungen durch falsche Angaben zu den Waren erschlichen. Dieses Verhalten sei unzulässig, weil sich die Beklagten dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschafften.
Die Klägerin hat daher beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, sog. "Knabberohren" (Rinderohren - Kauartikel für den Hund) mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 % anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die umsatzsteuerrechtliche Zuordnung ihrer Waren verteidigt.
Das LG hat über die Frage des für die streitgegenständlichen Rinderohren richtigen USt-Satzes Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) Berlin bei der OFD Cottbus. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die von ihm untersuchten Rinderohren für die menschliche Ernährung nicht geeignet seien. Deshalb gelte ein USt-Satz von 16 %. Diese Frage müsse jedoch immer im Einzelfall geprüft werden. Allein die Trocknung der Ohren bewirke nicht stets auch eine Ungenießbarkeit. Der Sachverständige wies allerdings auch darauf hin, dass die Finanzbehörden bei der Festsetzung der Umsatzsteuer weder durch die Einreihungsentscheidungen der ZPLA'en noch Erlasse der o.g. Art gebunden und daher befugt seien, den ermäßigten USt-Satz für getrocknete Schweine- und Rinderohren unabhängig von dem Einreihungsergebnis der ZPLA'en festzusetzen.
Das LG hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Es ist auf der Grundlage der Ausführungen des Gutachters davon ausgegangen, dass für die "Knabberohren" der Beklagten ein USt-Satz von 16 % anzusetzen sei. Deshalb seien die Angaben der Beklagten zum Preis bzw. der Bedingung der Warenlieferung i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG irreführend.
Mit ihrer zulässigerweise eingelegten Berufung beanstanden die Beklagten, dem Gutachten könne keine verbindliche Besteuerungsvorgabe entnommen werden. Das LG hätte nicht davon absehen dürfen, die beantragte Stellungnahme des Sachverständigen zur Genießbarkeit der Knabberohren einzuholen. Ferner legen die Beklagten eine verbindliche, allerdings vorbehaltlich einer veterinärrechtlichen Beurteilung der Genießbarkeit der Rinderohren erteilte Zolltarifauskunft der OFD Hamburg vom 11.8.2006 vor, wonach Rinderohren ebenso wie Schweineohren (in der VO EG Nr. 1125/2006 vom 21.7.2006 - ABl. vom 22.7.2006, Nr. L 200, S. 3), die zum menschlichen Verzehr geeignet sind, umsatzsteuergünstig einzuordnen seien.
Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet ergänzend, dass die Beklagten auch für die neuerliche Zolltarifauskunft der OFD Hamburg eine Warenprobe vorgelegt hätten, die nicht den von der Beklagten vertriebenen Rinderohren entspreche. Die neue verbindliche Zolltarifauskunft betreffe daher nicht die streitgegenständlichen Knabberohren.
II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Als Grundlagen für die Anspruchsbegründung kommen ernsthaft nur die lauterkeitsrechtlichen Wettbewerbsregeln des UWG in Betracht. Ein von der Klägerin in der Berufungsverhandlung alternativ in den Vordergrund gestellter deliktischer Anspruch wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin ist schon deshalb ausgeschlossen...