Leitsatz (amtlich)
Die umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften haben keinen marktverhaltensregulierenden Charakter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Der Zweck steuerrechtlicher Normen, dem Staat die zu seiner Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel zu verschaffen, umfasst weder primär noch sekundär den Zweck, ein Interesse von Mitbewerbern oder Verbrauchern an einem bestimmten Marktverhalten anderer Marktteilnehmer zu schützen. Auch ein Steuervorschriften möglicherweise eigener Lenkungscharakter beeinflusst lediglich die interne Kalkulation der Unternehmen, regelt aber nicht das Marktverhalten selbst. Die Auswirkung auf die Preise stellt sich auch dann lediglich als Reflex der steuerlichen Norm dar, wenn diese eine unternehmerische Tätigkeit je nach ihrem Umfang von der Umsatzsteuer ganz frei stellt.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 21.09.2007; Aktenzeichen 21 O 40/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Vorsitzenden der 21. Kammer für Handelssachen des LG Tübingen vom 21.9.2007 (Az.: 21 O 40/07) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit umsatzsteuerfrei erbrachten Leistungen geltend.
Wegen des Sachverhalts wird nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 21. Kammer für Handelssachen des LG Tübingen vom 21.9.2007 (Az.: 21 O 40/07 - GA 185/193) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen:
Es könne dahinstehen, ob der geltend gemachte Anspruch sich gegen den Beklagten richten würde oder gegen das Land Baden-Württemberg. Denn das beanstandete Verhalten sei nicht wettbewerbswidrig.
Eine irreführende Werbung i.S.d. § 5 UWG habe der Kläger zwar behauptet, jedoch nicht dargetan, inwieweit das beanstandete Verhalten des Beklagten irreführend sei. Seinen beiläufigen Vortrag (GA 4) zu falschen Angaben des Beklagten über seine Berechtigung Umsatzsteuer zu erheben, habe der Kläger nicht nur nicht substantiiert. Er habe darüber hinaus seine Prozessbevollmächtigten angewiesen, ein angeblich in ihren Unterlagen befindliches Email hierzu nicht vorzulegen. Der klägerische Antrag richte sich nicht auf die Untersagung derartiger Aussagen gegenüber Kunden.
Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG scheitere unabhängig von der Richtigkeit der vorgetragenen steuerbehördlichen Auskünfte daran, dass den steuerrechtlichen Vorschriften kein Marktbezug innewohne.
Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG sei nicht gegeben. Eine Behinderungsabsicht sei ausdrücklich nicht behauptet und nicht ersichtlich (LGU 7 = GA 191), so dass es nicht darauf ankomme, ob die einem Anspruch aus § 4 Nr. 11 UWG entgegenstehenden Gründe eine unlautere Behinderung von vorneherein ausschlössen. Die verneinendenfalls gebotene Gesamtbetrachtung führe zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen sei die einhellige Behördenansicht zu beachten. Die umsatzsteuerfreie Tätigkeit bleibe in einem Rahmen, der keinen wesentlichen Ausfall bei den anderen Anbietern befürchten lasse. Außerdem enthalte auch § 9 HOAI eine Umsatzsteuerbefreiung zugunsten eines Kleinunternehmers (§ 19 UStG) (näher LGU 8 = GA 192) und das Gesetz sichere die Ausbildung. Der nachgereichte klägerische Rechtsvortrag ändere daran nichts.
Die Richtlinie 77/388 EWG vom 17.5.1977 gebiete kein anderes Ergebnis. Die unstreitig geringen Umsätze des Beklagten führten nicht zu einer größeren Wettbewerbsverzerrung. Für eine solche habe der Kläger nichts vorgetragen. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Umsätze auch nur einer Person ein bescheidenes Leben ermöglichen könnten.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Er bringt vor:
Es sei irreführend, dass der Beklagte unstreitig gegenüber Kunden behauptet habe, keine Umsatzsteuer erheben zu dürfen. Zwar sei der Antrag nicht auf eine Aufklärung des Kunden über die Rechtslage gerichtet. Das LG verkenne aber den Marktbezug der einschlägigen umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen, die gerade Wettbewerbsgleichheit zwischen Behörde und Vermessungsingenieuren herstellen wollten (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 4 UStG). Ihnen müsse daher ausnahmsweise Marktbezug beigemessen werden. Hoheitliche und nicht hoheitliche Vermessungstätigkeit müssten getrennt betrachtet und nichthoheitliche müsse unabhängig vom Anbieter gleich behandelt werden. Die Kleinunternehmerregelung stehe dem nicht entgegen.
Unabhängig davon sei das Wettbewerbsverhalten unlauter i.S.d. § 3 UWG. Zu Unrecht habe das LG ...