Verfahrensgang
LG Rostock (Aktenzeichen 10 OH 11/17 (2)) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Rostock vom 15.02.2018, Az. 10 OH 11/17 (2), teilweise wie folgt abgeändert:
1. Nach Ziffer I.2.g) werden folgende Beweisfragen eingefügt:
h) Wie hoch war das Misserfolgsrisiko (Eingriff vom 20.11.2015), wie hoch die Erfolgsaussichten?
i) Wie hoch war das Verschlechterungsrisiko bei der konkret vorliegenden medizinischen Behandlung?
j) Welche echten Behandlungsalternativen, beispielsweise konservative Behandlung, Zuwarten, weniger radikaler Eingriff, andere Operationsverfahren, bestanden für den Antragsteller in der konkret vorliegenden medizinischen Behandlung?
k) Gab es zu dem gewählten Vorgehen echte medizinische Operationsalternativen mit anderen Chancen und Risiken?
l) Beschreibt die schriftliche Aufklärung, wie sie sich dokumentiert bei den Behandlungsunterlagen befindet, die konkrete streitgegenständliche Behandlung hinsichtlich seiner Chancen und Risiken sowie bezüglich echter Behandlungsalternativen aus medizinischer Sicht zutreffend und erschöpfend?
m) Beschreibt die schriftliche Aufklärung, wie sie sich dokumentiert bei den medizinischen Behandlungsunterlagen befindet, die möglichen Folgen des Eingriffs vom 20.11.2015 aus medizinischer Sicht zutreffend und erschöpfend?
2. Die Beweisfrage gemäß Ziffer I.2.h) wird zu Ziffer I.2.n).
3. Die Beweisfrage gemäß Ziffer I.2.i) wird zu Ziffer I.2.o) und um folgende Sätze ergänzt:
Insbesondere liegt bei dem Antragsteller eine irreversible Schädigung vor oder kann die Schädigung durch eine oder mehrere Nachbehandlungsmaßnahmen, insbesondere Revisionsoperationen beseitigt werden? Wie wahrscheinlich ist es, dass sich durch Nachbehandlungsmaßnahmen die Schäden beseitigen lassen?
4. Folgender Satz wird als Abschluss der Ziffer I. eingefügt:
Der Sachverständige soll jeweils angeben, mit welchem Grad der Sicherheit sich die vorstehenden Fragen beantworten lassen: Sicher - sehr wahrscheinlich - wahrscheinlich - möglich - unwahrscheinlich - äußerst unwahrscheinlich - sicher nicht.
II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
III. Eine Gerichtsgebühr ist für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft sowie gemäß § 569 ZPO form- und fristgemäß eingelegt. In der Sache hat das Rechtsmittel überwiegend Erfolg.
1. Anders als das Landgericht geht der Senat davon aus, dass auch Fragen an einen medizinischen Sachverständigen, welche Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht betreffen, Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein können.
Klärungsfähige Tatsachen im Rahmen der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens im Arzthaftungsrecht sind nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 ZPO insbesondere die Tatsachenfragen nach dem Zustand einer Person, der Ursache eines Personenschadens oder dem Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens. Der Senat geht davon aus, dass auch Aufklärungsfehler und die diesbezüglichen Beweisfragen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ursache eines Personenschadens im Sinne des § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO erfüllen (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 11. Oktober 2016, Az.: 1 W 68/16, juris). Zum einen sieht bereits der Gesetzgeber nach Einführung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten nicht nur den Behandlungsfehler, sondern auch den Aufklärungsfehler als Ursache eines Personenschadens an. So schließt § 630h BGB ("Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler") in Abs. 2 den Aufklärungsfehler als Ursache der Haftung ausdrücklich mit ein. Daneben führt ein Aufklärungsfehler auch regelmäßig dazu, dass sich der Patient einem rechtswidrigen, in der Regel komplikationsbehafteten, ärztlichen Eingriff unterzieht und gerade hierdurch einen Personenschaden erleidet. Ohne diese Aufklärungsfehler hätte sich der Patient nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form behandeln lassen und der konkrete Personenschaden wäre ausgeblieben.
Zudem ist nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. September 2013 (VI ZB 12/13, juris) davon auszugehen, dass ein Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens auch dann zulässig ist, wenn er Fragen zum Gegenstand hat, die einer rechtlichen Wertung bedürfen, wie in dem dort zu entscheidenden Sachverhalt die Frage nach der Bewertung eines Behandlungsfehlers als grober Fehler. Die Zulässigkeit auch solcher Fragen hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass wegen des objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabes im Arzthaftungsrecht und wegen der nur auf der Basis sachverständiger Grundlagen zu treffenden Wertungen die rechtlichen Bewertungen in einem solchen Maße von der Beurteilung der damit zusammenhängenden fachmedizinischen Fragen abhängig ist, dass es als sinnvoll anzusehen ist, sie im Beweisverfahren zuzulassen, weil sie die Entscheidung zur Klageerhebung oder zur Verteidigung geg...