Leitsatz (amtlich)
§ 114 Abs. 1 GWB ermächtigt die Vergabekammer nicht, Vergabeverstöße, durch die der Antragsteller in eigenen Bieterrechten nicht betroffen ist, amtswegig aufzugreifen und auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu Lasten des Antragstellers hinzuwirken.
Verfahrensgang
2. Vergabekammer (Beschluss vom 19.04.2006; Aktenzeichen 2 VK 1/06) |
Tenor
Der Beschluss der 2. Vergabekammer bei dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 19.4.2006 - 2 VK 1/06 - wird aufgehoben, soweit der Antragsgegner angewiesen worden ist, bei der Fortsetzung des Vergabeverfahrens Nebenangebote der Bieter nicht zu bewerten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene mit Ausnahme der Kosten des Antragsgegners. Dieser trägt seine Kosten selbst.
Gründe
I. Der Antragsgegner schrieb die Baumaßnahme "Universitätsklinikum Greifswald-Neubau K 1.3 bis K 2.2, Raumlufttechnik 2, Vergabe-Nr.: 05 E 0295" europaweit im offenen Verfahren aus. Als Zuschlagskriterien waren benannt: Preis, Qualität, Ausführungsfrist, Funktionalität und Wartung.
Nebenangebote/Änderungsvorschläge waren ausdrücklich zugelassen. Gemäß Nr. 5.3. der Submission sollten diese den Konstruktionsprinzipien und den vom Auftraggeber vorgesehenen Planungsunterlagen entsprechen. Fünf der sieben Bieter legten Nebenangebote in Form von technischen Änderungsvorschlägen oder Preisnachlässen vor. Die Antragstellerin reichte insgesamt 13 Änderungsangebote ein.
Mit Schreiben vom 29.12.2005 teilte der Antragsgegner nach Eröffnung der Angebote der Antragstellerin sowie weiteren Bietern mit, dass ihre Angebote wegen fehlender Eignungsnachweise gem. § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen seien. Die Antragstellerin und die Beigeladene rügten ihren Ausschluss. Der Rüge der Beigeladenen half der Antragsgegner ab, der Rüge der Antragstellerin nicht.
Der Antragsgegner hatte zunächst die Absicht, den Auftrag an eine Firma I. zu vergeben. Aufgrund der von ihm akzeptierten Rüge der Beigeladenen revidierte er am 6.1.2006 seine Absicht. Der Auftrag sollte nunmehr unter Berücksichtigung von Nebenangeboten der Beigeladenen erteilt werden; ausschließliches Bewertungskriterium war nach dem diesbezüglichen Vergabevermerk der Preis.
Da der Rüge der Antragstellerin nicht abgeholfen worden war, leitete sie ein Vergabenachprüfungsverfahren ein. Sie begehrte die Feststellung, dass sie nicht wegen mangelnder Eignungsunterlagen hätte ausgeschlossen werden dürfen.
Die 2. Vergabekammer bei dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 19.4.2006 - 2 VK 1/06 - die Begründetheit des Nachprüfungsantrages festgestellt und hierzu ausgeführt, das Angebot der Antragstellerin hätte nicht mit dem Argument ausgeschlossen werden dürfen, dass zum Submissionstermin Eignungsnachweise gefehlt hätten. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner angewiesen, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen, wobei sie - ohne dass dieses Inhalt des Nachprüfungsantrages war - darauf hingewiesen hat, dass die von den Bietern eingereichten Nebenangebote wegen Verstoßes gegen Art. 24 VKR nicht gewertet werden dürften.
Gegen den von der Vergabekammer vorgegebenen Ausschluss der Nebenangebote richtet sich die Antragstellerin mit ihrer Vergabebeschwerde. Sie greift die Entscheidung der Vergabekammer nur diese Vorgabe betreffend an und stellt den Antrag, den Beschluss der 2. Vergabekammer bei dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 19.4.2006 aufzuheben, soweit der Antragsgegner angewiesen worden ist, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen und dabei Nebenangebote der Antragstellerin nicht zu bewerten sowie den Antragsgegner anzuweisen, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Gebot unter Berücksichtigung auch der Nebenangebote der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats zu erteilen.
Der Antragsgegner stellt keinen Antrag.
Er tritt der Argumentation der Antragstellerin bei und weist darauf hin, dass die Entscheidung der Vergabekammer auf einer unzulässigen allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle beruhe.
Die Beigeladene, die nach einer erneuten Wertung des Antragsgegners nunmehr den Zuschlag auf ihr Hauptangebot erhalten soll, stellt den Antrag, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer, nach der die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Nebenangebote nicht vorgelegen hätten und behauptet die Verfristung der Beschwerde.
II. Die Beschwerde im Vergabeverfahren ist zulässig.
Sie wendet sich gegen eine Entscheidung der Vergabekammer und ist form- und fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 117 Abs. 1 GWB eingelegt und begründet worden. Der Zugang der Vergabeentscheidung ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses der Antragstellerin am 20.4.2006 bei dieser, die sofortige Beschwerde per FAX am 4.5.2006 bei dem OLG Rostock eingegangen.
Das Vergaberecht ist anwendbar. Der Antragsgegner ist ein öffentlicher ...