Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert bei Übergang von Vorschuss auf Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem Vorschuss zur Selbstbeseitigung und dem Schadensersatz handelt es sich nicht um unterschiedliche Streitgegenstände, so dass ein Wechsel im Prozess von dem Vorschussanspruch auf den Schadensersatzanspruch keine Klageänderung darstellt, so dass auch bei der Bestimmung des Streitwerts diese nicht zu addieren sind.

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Aktenzeichen 6 O 364/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Stralsund vom 12.01.2023 abgeändert und der Streitwert auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Kläger hat ursprünglich die Zahlung eines Kostenvorschusses zwecks Ertüchtigung eines Fundaments in Höhe von 6.000,00 EUR beantragt. Später hat er hiervon Abstand genommen und stattdessen die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 6.000,00 EUR beantragt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 12.01.2023 die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 12.000,00 EUR festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung folge aus § 39 Abs. 1 GKG. Der Wert des Zahlungsantrages sei dabei mit dem ursprünglichen Antrag auf Leistung eines Kostenvorschusses zu addieren. Eine wirtschaftliche Identität liege nicht vor, da der Anspruch auf Kostenvorschuss andere Voraussetzungen und Rechtsfolgen habe als der allgemeine Zahlungsanspruch.

Gegen die Streitwertfestsetzung wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde vom 27.01.2023. Er ist der Auffassung, dass der Streitwert auf 6.000,00 EUR herabzusetzen sei, da wirtschaftliche Identität vorliege.

Der Beklagte teilte die Auffassung des Landgerichts.

Mit Beschluss vom 23.02.2023 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Wert der Streitgegenstände sei jeweils auf 6.000,00 EUR festzusetzen und zudem gem. § 39 Abs. 1 GKG zu addieren gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger lediglich noch den einfachen Zahlungsantrag zur Entscheidung gestellt habe, die beiden Anträge damit nicht nebeneinander, sondern nacheinander verfolgt worden seien. Die Zusammenrechnung nach § 39 Abs. 1 GKG setze nicht voraus, dass die mehreren Streitgegenstände gleichzeitig nebeneinander geltend gemacht würden; dies gelte nicht nur für den Fall einer teilweisen Rücknahme der Klage bezüglich einzelner Streitgegenstände und deren Ersetzung durch neue Streitgegenstände im Wege einer Klageänderung, sondern auch für denjenigen einer teilweisen Klagerücknahme hinsichtlich eines Teils mehrerer anhängiger Streitgegenstände in Verbindung mit einer gleichzeitigen Klageerweiterung bezüglich der danach noch anhängig bleibenden Streitgegenstände. Der Übergang von einer Vorschussklage zu einer Klage auf Schadensersatz stelle eine echte Klageänderung dar.

Eine Addition sei auch nicht wegen wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände ausgeschlossen. Zwischen den Ansprüchen auf Kostenvorschuss und auf Schadensersatz bestünden gravierende Unterschiede. Dies zeige sich beispielsweise im Werkvertragsrecht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf den Beschluss vom 23.02.2023.

II. Die Beschwerde ist gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässig und auch in der Sache begründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht die Werte des ursprünglichen Klageantrages und des zuletzt gestellten Klageantrages gem. § 39 Abs. 1 GKG addiert. Ein Fall des § 39 Abs. 1 GKG liegt vielmehr nicht vor.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass nach der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur bei allen selbstständigen Streitgegenständen, auch wenn sie nicht nebeneinander und gleichzeitig verfolgt werden, sondern nur nacheinander - zum Beispiel bei Teilrücknahme / -erledigung und gleichzeitige oder nachfolgende Klageerweiterung - oder im Wege der Klageänderung durch Klagegrundwechsel rechtshängig werden, eine Zusammenrechnung der Werte zu erfolgen haben soll (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 5 Rn. 3 m.w.N.). Es kann offenbleiben, ob dieser Auffassung uneingeschränkt zu folgen ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich jedoch beim Vorschussanspruch und beim Schadensersatz - auch und insbesondere im Werkvertragsrecht - nach der neueren Rechtsprechung und Literatur gerade nicht um unterschiedliche Streitgegenstände, so dass der Übergang von Vorschuss zu Schadensersatz und umgekehrt insbesondere keine Klageänderung darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2019, VII ZR 105/18, NJW 2019, 1527; Urt. v. 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1; OLG Rostock, Beschl. v. 23.09.2020, 4 U 86/19, BauR 2021, 1479; Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rn. 8).

Auf die Frage nach der wirtschaftlichen Identität kommt es nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15765608

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