Leitsatz (amtlich)
1. Die Festsetzung der Jahresgebühr für die gerichtliche Betreuungsleistung nach Vorbemerkung 1.1 i.V.m. Nr. 11101 KV-GNotKG erfordert eine stichtagsbezogene Ermittlung des Reinvermögens.
2. Der auf den Betreuten entfallende Anteil des stichtagsbezogen zu ermittelnden Nachlassvermögens ist mit vollem Wert zu berücksichtigen. Die im Rahmen eines sog. Behindertentestaments verbundenen Beschränkungen des nichtbefreiten Vorerben und der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung bleiben dabei außer Betracht.
Normenkette
GNotKG § 8 S. 1, § 9 Anlage Nr. 11101, § 9 Anlage Vorbem. 1.1, §§ 36-38
Verfahrensgang
AG Waren (Müritz) (Aktenzeichen 403 XVII 110/17) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen wird der Kostenansatz aus den Gerichtskostenrechnungen vom 25. März 2019 über die Erhebung der Jahresgebühren der gerichtlich angeordneten Betreuung für die Jahre 2017 und 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Waren (Müritz) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die 2020 verstorbene Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung der Jahresgebühren für die Jahre 2017 und 2018 für die gerichtliche Betreuungstätigkeit.
Die Beschwerdeführerin war wegen einer geistigen Behinderung seit 1986 entmündigt. Im Jahr 1993 wurde die Mutter zur Betreuerin der Betroffenen bestellt. Im Oktober 2016 verstarb der Vater der Betroffenen. Aufgrund des notariellen gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern wurde die Betroffene zu einem Erbteil von 23 % als nicht befreite Vorerbin zur Miterbin nach ihrem Vater bestimmt. Ferner wurde für den Erbteil der Betroffenen wegen ihrer geistigen Behinderung dauerhafte Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker wurde angewiesen, der Betroffenen nur die jährlichen Nutzungen des Erbteils und diese nur in dem Umfang zuzuwenden, indem sie nicht nach den Bestimmungen öffentlicher Leistungsträger für den eigenen Lebensunterhalt aufzuwenden sind sowie für übliche Geschenke, Ausübung von Hobbys, Verwandtenbesuche, Begleitpersonen und Ähnliches.
Im Rahmen der Festsetzung der Jahresgebühren für die Betreuungstätigkeit hat das Amtsgericht den Erbteil der Betroffenen in vollem Umfang in Höhe von rund 477.000,00 EUR als Vermögen der Betreuten angesehen. Auf dieser Grundlage hat es am 25. März 2019 jeweils eine Jahresgebühr bei Dauerbetreuung nach Nummer 11101 KV-GNotKG für die Jahre 2017 und 2018 festgesetzt.
Dagegen hat die (anwaltlich vertretene) Betreute mit Schriftsatz vom 10. April 2019 Erinnerung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, ihr stehe das Vermögen aus dem Erbfall wegen der Beschränkungen aus dem Behindertentestament nicht zur Verfügung. Dieses sei daher zur Deckung der Kosten nicht verwertbar.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung gegen die Gerichtskostenrechnung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Neubrandenburg mit Beschluss vom 08. September 2020 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die tatsächliche Verfügbarkeit des jeweiligen Vermögensgegenstandes für die Erhebung der Jahresgebühr unerheblich sei. Nach dem Wortlaut der maßgeblichen Kostenvorschrift sei die Berücksichtigung sozialrechtlicher Bestimmungen nur in dem dort ausgewiesenen Umfang möglich. Die Betreuung beschränke sich nicht auf einen bloßen Teil des Vermögens der Betreuten.
Der Betreuer habe auch die Aufgabe, die Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers zu überwachen, sodass sich auch die gerichtliche Überwachung des Betreuers auf das geerbte Vermögen beziehe.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2020 hat der Prozessbevollmächtigte der Betreuten weitere Beschwerde erhoben.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist infolge der bindenden Zulassung durch das Landgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 81 GNotKG. Der Senat ist gemäß § 81 Abs. 6 S. 1, 2. Hs. GNotKG i. V. m. § 119 Abs. 1 Nr. 2, 122 Abs. 1 GVG zur Entscheidung über die Kostenbeschwerde berufen.
Trotz des zwischenzeitlichen Versterbens der Betreuten ist der Senat entsprechend §§ 239, 246 Abs. 1 ZPO berechtigt in der Sache zu entscheiden. Eine Unterbrechung des Verfahrens ist nicht eingetreten. Diese Vorschriften sind auf das hiesige Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar. Die Beschwerdeführerin war durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten. Ein Antrag auf Aussetzung hat der Verfahrensbevollmächtigte nicht gestellt. Einer Fortsetzung des Verfahrens steht nicht entgegen, dass die Rechtsnachfolger der Verstorbenen noch nicht bekannt sind. Ein gerichtliches Verfahren kann auch namens der unbekannten Erben einer bestimmten Person durch einen von dem Erblasser bestellten Verfahrensbevollmächtigten betrieben werden (Zöller/Althammer, ZPO, 33. Auflage 2020, § 86 Rn. 12 m.w.N.). Dass die Erben, wenn ihr Name noch nicht bekannt ist, im Rubrum einer verfahrensabschließen...