Leitsatz (amtlich)

Nach Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten ist über dessen Prozesskostenhilfeantrag jedenfalls dann zu entscheiden, wenn dieser Antrag vor Unterbrechung entscheidungsreif vorlag und der Beklagte wegen der ihn andernfalls treffenden Belastung mit der Honorarforderung seines Prozessbevollmächtigten an der Entscheidung interessiert ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 240

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 16.04.2003; Aktenzeichen 6 O 122/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der ihr Prozesskostenhilfegesuch zurückweisende Beschluss des LG Stralsund vom 16.4.2003 (6 O 122/01) aufgehoben. Das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren wird zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung eines gemieteten Hotelschiffes sowie auf Nutzungsentschädigung in Anspruch. Am 4.7.2001 beantragte die Beklagte zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe. Ihre Erklärung zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen ging am 2.8.2001 bei Gericht ein. Über ihr Vermögen wurde am 21.8.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Stralsund – 52 IN 138/01).

Gleichwohl bat die Beklagte um Bescheidung ihres Prozesskostenhilfegesuchs. Mit Beschluss vom 16.4.2003 wies das LG es zurück. Begründend führte es aus, die Unterbrechung des Rechtsstreits infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ergreife auch das Prozesskostenhilfeverfahren.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Auf Nachfrage des Senats stellt sie klar, dass sie selbst die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss einlege, allerdings habe auch der Insolvenzverwalter darum gebeten, das Beschwerdeverfahren durchzuführen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Das LG ist nicht gehindert, über den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zu entscheiden.

1. Es ist umstritten, ob die Unterbrechung des Rechtsstreits infolge des Insolvenzverfahrens über die Partei auch für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gilt. In neuerer Zeit hat insbesondere das OLG Köln in einem ausführlichen Beschluss vom 15.11.2002 (OLG Köln v. 15.11.2002, ZIP 2003, 1056 m.w.N.) entschieden, dass die Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 ZPO auch das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren einbeziehe. Im Grundsatz neigt der erkennende Senat ebenfalls zu der Auffassung, dass die Unterbrechung des Verfahrens letztlich dem Schutz des Insolvenzverwalters dient, der Gelegenheit haben soll, sich mit dem Rechtsstreit vertraut zu machen und über die Aufnahme des Verfahrens zu entscheiden. Dieser Schutzzweck kann bei einer Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch trotz Unterbrechung des Verfahrens beeinträchtigt sein, wenn das mit der Sache befasste Gericht die Erfolgsaussicht prüft. Vor Aufnahme des Rechtsstreits darf sich der Schuldner nicht mehr äußern, der Gegner braucht sich im Hinblick auf die Unterbrechung nicht zu äußern.

2. Diese Sicht berücksichtigt indessen unzureichend das Interesse der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei, auch das ihres Prozessbevollmächtigten, an einer Entscheidung über ihr Gesuch. Es mag durchaus sein, dass der Rechtsstreit nie aufgenommen wird und sich hierdurch erledigt. Gleichwohl hat die Prozesskostenhilfe beantragende Partei ein Interesse daran, dass über ihren Antrag entschieden wird, sofern sie diesen vor Unterbrechung des Rechtsstreits in entscheidungsreifer Form, also mit ausreichender Darlegung der Bedürftigkeit, gestellt hat und die Gegenpartei hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, denn die Honorarforderung ihres Prozessbevollmächtigten gegen sie muss sie bezahlen, es sei denn die Prozesskostenhilfe wird bewilligt. Wegen der Vermögensverhältnisse des Schuldners wird auch der Prozessbevollmächtigte der bedürftigen Partei an einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag interessiert sein. Ohne eine Entscheidung über ihren Antrag bliebe die bedürftige Partei mit ihren außergerichtlichen Auslagen belastet, obwohl ihre Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolgsaussicht bot.

In gewisser Weise bildet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine zeitliche Zäsur; die insolvente Partei scheidet quasi aus. Nach Auffassung des Senats widerspricht es nicht dem Zweck des § 240 ZPO, für den vor diesem Ereignis liegenden Verfahrensabschnitt die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe zu prüfen, auch wenn dies die Erörterung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung der Beklagten einschließt. Wegen dieser Zäsur bestimmt sich die Bedürftigkeit der Antragstellerin in Abweichung des Grundsatzes, dass auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch abzustellen ist, nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen unmittelbar vor Unterbrechung des Rechtsstreits.

Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Entscheidung über den Proz...

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