Leitsatz (amtlich)
1. Zwar kann grundsätzlich - auch bei einer Bürgschaft - die Berufung auf einen Formmangel gegen Treu und Glauben verstossen. Um einer Aushöhlung der Formvorschriften vorzubeugen, ist der Formmangel eines Rechtsgeschäfts jedoch nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich. Das kann dann der Fall sein, wenn die Rechtsfolgen der Nichtigkeit nicht nur zu einem harten, sondern zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis für einen Vertragsteil führen würden.
2. In Betracht zu ziehen ist die Unbeachtlichkeit des Formmangels insoweit, wenn eine Vertragspartei über die Formbedürftigkeit arglistig getäuscht wurde, sonst eine schwere Treuepflichtverletzung oder eine Existenzgefährdung vorliegt, oder wenn eine Partei, die längere Zeit aus dem Vertrag Vorteile gezogen hat, sich unter Berufung auf den Formmangel ihrer Verpflichtung zu entziehen sucht.
Verfahrensgang
LG Schwerin (Aktenzeichen 4 O 172/07) |
Tenor
Nach Rücknahme der Berufung wird festgestellt:
Die Berufungsklägerin ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig und verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (gemäß § 516 Abs. 3 ZPO).
Der Streitwert für die Berufung beträgt 25.163,84 EUR.
Zum Sachverhalt und den Gründen der Entscheidung:
Gründe
I. Die Parteien haben um Ansprüche aus einer Bürgschaft gestritten.
Die Klägerin betreibt eine Gastpiel- und Theaterdirektion und führt bundesweit Tourneen durch. Eine Firma O. T. fungierte hierbei als Transportunternehmen für den Transport der Musik- und Künstlertruppen. Bei der Firma O. T. war der Beklagte als Busfahrer beschäftigt. Nachdem die vorgenannte Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, gewährte ihr die Klägerin ein Darlehen über 30.000 EUR nebst 5 % Zinsen p. a.. Die Klägerin setzte zu ihrer Besicherung durch, dass der Beklagte sich als Bürge verpflichtete, alle fehlenden Darlehensrückzahlungsraten innerhalb von fünf Tagen auszugleichen. Sie setzte einen entsprechenden Darlehensvertrag - mit bürgschaftlicher Verpflichtung des Beklagten - auf, der von der Firma O. T. gezeichnet und an die Klägerin zurückgeleitet wurde. Diese war ihrerseits zur Zeichnung erst bereit, wenn der Beklagte den Vertrag unterschrieben hätte. Daraufhin sandte die Firma O. T. dem Beklagten per Telefax den Darslehensvertrag zu, dieser unterschrieb auf dem Fax und übermittelte seinerseits ein Fax mit dem Darlehensvertrag an die Klägerin, die diesen alsdann zeichnete. Die Firma O. T. zahlte insgesamt 8.000 EUR auf ihre Rückzahlungsverpflichtungen aus dem Darlehen, wurde dann jedoch zahlungsunfähig. Die Klägerin verlangte nunmehr den Restbetrag nebst Zinsen von dem Beklagten als Bürgen.
Das LG wies die Klage als nicht begründet ab. Die Bürgschaftserklärung - so die Begründung - sei formunwirksam (§ 766 BGB) und damit nichtig und der Beklagte - entgegen der Ansicht der Klägerin, die eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) geltend machte - nicht gehindert, sich auf den Mangel der Form zu berufen.
II. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Senat beabsichtigte das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen und führte dazu gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wie folgt aus:
1. Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Da beides nicht ersichtlich ist, wird das Urteil voraussichtlich den Berufungsangriffen standhalten.
Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des LG in der angefochtenen Entscheidung und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift vom 19.11.2007 rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht.
a) Mit Recht geht das LG von der Formnichtigkeit der Bürgschaftserklärung aus, da diese lediglich per Telefax übersandt und damit nicht "schriftlich erteilt" i.S.d. § 766 Satz 1 BGB wurde (BGHZ 121, 224 = NJW 1993, 1126 [Tz. 34 ff.]; aus Staudinger/Horn [1997], § 766 Rz. 29 ergibt sich im Ergebnis nichts anderes). Hiergegen wendet sich die Berufung ersichtlich nicht.
b) Entgegen der Auffassung der Berufung ist das LG aber auch mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Geltendmachung der Formnichtigkeit durch den Beklagten vorliegend keine unzulässige Rechtsausübung und damit keinen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl., § 125 Rz. 16 und MünchKomm/Einsele, BGB, 5. Aufl., § 125 Rz. 57) kann die Berufung auf einen Formmangel - auch bei einer Bürgschaft (BGH, NJW-RR 1991, 757 [Tz. 9]; Palandt/Sprau, a.a.O., § 766 Rz. 5; Staudinger/Horn, BGB [1997], § 766 Rz. 50) - gegen Treu und Glauben verstoßen. Um jedoch einer Aushöhlung der Formvorschriften des bürgerlichen Rechts vorzubeugen, ist der Formmangel eines Rechtsgeschäfts nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlic...