Leitsatz (amtlich)
Zum Einwand der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) bei einem Darlehensvertrag oder einer Bürgschaftserklärung.
Verfahrensgang
LG Stralsund (Beschluss vom 28.07.2008; Aktenzeichen 6 O 378/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den ihm Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des LG Stralsund vom 28.7.2008, Az.: 6 O 378/07, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 4 ZPO zulässige Beschwere ist unbegründet. Die Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die Klage hat nicht die gem. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Erstinstanzlich ist zu Recht die vollumfängliche Schlüssigkeit der Klage - Abweichendes - hat auch der Beklagte nicht eingewandt - festgestellt worden. Der Klägerin steht zum einen ein Anspruch auf Darlehensrückzahlung i.H.v. 38.003,25 EUR nebst aufgelaufenen Zinsen aus § 488 Abs. 1 BGB sowie ein erstrangiger Teilbetrag i.H.v. 30.000 EUR aus der durch den Beklagten für die Verbindlichkeiten der Projektgesellschaft Haus Vogelsang mbH übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft gem. §§ 765 Abs. 1 i.V.m. 767 Abs. 1 BGB zu.
2. Der Rechtsverteidigung ist kein Erfolg beschieden, soweit der Beklagte einwendet, die Klägerin sei als faktische Geschäftsführerin in Erscheinung getreten. Auf die insoweit zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
3. Der nunmehr in der Beschwerde erhobene Einwand der Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages als auch der Bürgschaftserklärung greift ebenfalls nicht.
a) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages bzw. der Abgabe der Bürgschaftserklärung mittellos gewesen ist und die Klägerin hiervon Kenntnis gehabt hat, da sich hieraus weder eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages (aa) noch der Bürgschaftserklärung (bb) ergibt.
aa) In Betracht kommt lediglich eine Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB wegen krasser Überforderung des Schuldners. Grundsätzlich hat der Schuldner jedoch wegen des Grundsatzes der Privatautonomie, der nicht nur das Recht zur Selbstbestimmung, sondern auch die Pflicht zur Selbstverantwortung beinhaltet, selbständig zu prüfen und zu entscheiden, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 138 Rz. 36). Allein die Tatsache, dass eine Verpflichtung das Leistungsvermögen des Schuldners subjektiv überfordert, begründet daher nicht ohne Weiteres einen Nichtigkeitsgrund (OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 578). Sind die vom Schuldner zu leistenden Zahlungen höher als sein pfändbares Einkommen, so rechtfertigt das nicht die Anwendung von § 138 BGB (BGH, NJW 1989, 1666). Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 138 BGB nicht etwa stets schon dann zu bejahen, wenn ein Ratenkreditvertrag einem Kreditnehmer monatliche Belastungen auferlegt, die höher liegen als der pfändbare Betrag seines Arbeitseinkommens nach § 850c ZPO (vgl. LG Lübeck WM 1987, 955). Der Schutz der Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip mögen es erfordern, jedem Schuldner ein bestimmtes Existenzminimum zu gewährleisten. Das geltende Recht trägt diesem Verfassungsgebot aber durch die in der Zwangsvollstreckung geltenden Pfändungsschutzvorschriften hinreichend Rechnung. Es ist nicht notwendig, die dort aufgestellten Maßstäbe schematisch bereits bei der materiellen Prüfung nach § 138 BGB zu berücksichtigen und damit die Vertragsfreiheit erheblich einzuschränken. Es liegt kein Wertungswiderspruch darin, sondern erscheint durchaus sinnvoll, wenn den Vertragspartnern im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Einschätzung ihrer zukünftigen Erfüllungsmöglichkeiten grundsätzlich noch selbst überlassen bleibt und dem Schuldner erst bei einer späteren Zwangsvollstreckung der Schutz gewährt wird, den er dann wirklich benötigt (BGH, a.a.O.).
Im Einzelfall kann zwar die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Vertragspartners im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 138 Abs. 1 BGB, also im Zusammenwirken mit anderen Geschäftsumständen, von Bedeutung sein. So ist in der neueren Rechtsprechung zum Konsumentenratenkredit anerkannt, dass bei Verträgen mit objektiv überhöhten Zinsforderungen und sonstigen unbilligen Bedingungen die wirtschaftlich schwächere Lage des Kreditnehmers zu den persönlichen Voraussetzungen des wucherähnlichen Kreditgeschäfts gehört (BGHZ 98, 174). So liegt der Fall hier jedoch nicht.
Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag fällt weder aufgrund einer überhöhten Zinsforderung (7,5 % p.a. Anlage K 6, GA 23) noch wegen sonst unbilliger Bedingungen aus dem Rahmen des Üblichen. Insbesondere lässt sich - entgegen der Beklagtenansicht - nicht allein aus dem Wissen der Klägerin um die Mittellosigkeit des Beklagten eine Sittenwidrigkeit ableiten, da der Beklagte kraft eigener Geschäftserfahrenheit die Verantwortung für die von ihm eingegangenen Verpflichtungen selbst trägt.
Darauf, ob die Klägerin bei der Ausreichung des Kredites aussch...