Leitsatz (amtlich)
1. Machen die AVB einer Forderungsausfallversicherung eine Leistung davon abhängig, dass der Versicherungsnehmer einen vollstreckbaren Titel im streitigen Verfahren gegen den Schädiger oder ein von diesem abgegebenes notarielles Schuldanerkenntnis erwirkt hat, genügt für die Erfüllung der ersteren Variante die Erwirkung eines Versäumnisurteils.
2. Dessen Bindungswirkung für den Deckungsprozess scheitert nicht daran, dass mangels Parallelität zwischen dem Haftungs- und dem Deckungsverhältnis bei der Ausfalldeckung die notwendige Voraussetzungsidentität nicht gegeben wäre (entgegen OLG Koblenz, Urteil vom 19.03.2015, Aktenzeichen 10 U 964/14, - zitiert nach juris -, Rn. 35).
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2; VVG § 100
Tenor
I. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden der Beklagten ein Anerkenntnis bezüglich des Berufungs- bzw. Klageantrages zu 1) und der Klägerin eine Klagerücknahme im Hinblick auf den Berufungs- bzw. Klageantrag zu 2) anheimgestellt.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung erscheint weitestgehend begründet.
I. Die Klägerin dürfte einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Zahlung von 5.136,98 EUR gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag haben.
1. Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Privathaftpflichtversicherungsvertrag, der eine Forderungsausfalldeckung mit Gewaltopferschutz einschließt. Ebenso unbestritten ist die Klägerin am 11.09.2011 Opfer einer Gewalttat als Schadensereignis mit der Folge von Personenschäden geworden, wobei sie daraus entstandene Schadensersatzansprüche wegen Zahlungsunfähigkeit des Schadensverursachers gegen diesen nicht durchsetzen konnte. Nach den Ziffern 13.1 bis 13.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten liegt damit ein Versicherungsfall vor, der von der Forderungsausfalldeckung erfasst wird, wobei die Klägerin ohne Vorsatzausschluss so zu stellen ist, als wenn für den Schädiger eine Privathaftpflichtversicherung bei der Beklagten bestünde.
2. Die Leistungspflicht der Beklagten ist wohl nicht nach Ziffer 13.4, letzter Spiegelstrich ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen, soweit danach kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, die darauf beruhen, dass ein berechtigter Einwand oder ein begründetes Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt wurde.
a. Denn dass dies allein auf eine Obliegenheit des Versicherungsnehmer abzielt, im Sinne einer Schadensabwendungs- oder -minderungspflicht die Entstehung von Ansprüchen (nur) zu seinen Lasten zu verhindern, folgt nicht zuletzt aus der von der Beklagten selbst mit Schriftsatz vom 11.05.2016 vorgelegten Fassung ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen KT2011HP, die von der seitens der Klägerin eingereichten leicht abweicht. Dort lautet Ziffer 13.4, letzter Spiegelstrich dahingehend, dass kein Versicherungsschutz bestehe für "Ansprüche, soweit sie darauf beruhen, dass Sie einen berechtigten Einwand oder ein begründetes Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig vorgebracht oder eingelegt haben" (Hervorhebung durch den Senat). Die betreffende Anrede kann sich zwangsläufig nur an den Versicherungsnehmer der Beklagten, nicht aber an den dritten Schädiger richten, der die Versicherungsbedingungen nicht zu Gesicht bekommt.
b. Spätestens ergäbe sich dieses Ergebnis ansonsten aufgrund einer Anwendung der Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB, nach welcher Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Selbst wenn man nämlich die Klausel gegebenenfalls auch im Sinne der Beklagten verstehen könnte, beziehen sich doch zum einen die übrigen Fallgruppen der Ziffer 13.4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für einen Ausschluss des Versicherungsschutzes durchweg (ebenfalls) auf Umstände aus bzw. in der Sphäre des Versicherungsnehmers; zum anderen dürfte bei einer Gesamtschau des Regelungsgefüges vornehmlich Ziffer 13.5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen bezüglich des Erfordernisses der Erwirkung eines Vollstreckungstitels auf eine Absicherung des Versicherers gegen die von der Beklagten angesprochene Besorgnis zielen, der Versicherungsnehmer könne unberechtigte Forderungen im Säumnisverfahren durchsetzen.
3. Die Voraussetzung für eine Leistung der Beklagten nach der letztgenannten Klausel wiederum ist mit der Erwirkung eines Versäumnisurteils gegen den Schädiger wohl erfüllt.
a. Dabei kann erneut auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB abgestellt werden. Für deren Anwendung genügt es zwar nicht, dass Streit zwischen den Parteien über die Auslegung besteht; vielmehr müssen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel bleiben und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sein (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl., 2018, § 305c Rn. 15 m. ...