Verfahrensgang

AG Neubrandenburg (Aktenzeichen 6 F 657/00)

 

Tenor

Dem Berufungskläger wird für die Berufungsinstanz ratenfreie Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt M. bewilligt.

Der Berufungsbeklagten wird für die Rechtsverteidigung in der Berufungsinstanz ratenfreie Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B. bewilligt.

 

Tatbestand

I

Beide Parteien beantragen, ihnen für die Berufungsinstanz Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.

Der am 11.3.1992 geborene Kläger ist der nichteheliche Sohn des in B. lebenden Beklagten. Mit dem angefochtenen Urteil ist dieser – wie vom Kläger beantragt – u. a. verurteilt worden, monatlich beginnend ab Januar 2001 100 % des Regelbetrages Ost der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes an den Kläger zu zahlen. Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Abänderung dieses Teiles des Urteils dahingehend, daß der Beklagte verurteilt wird, ab Januar 2001 135 % des Regelbetrages Ost der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes an den Kläger zu zahlen. Zur Begründung führt er aus, aufgrund des Inkrafttretens des „Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhalts” zum 1.1.2001 habe er nunmehr Anspruch auf 135 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Denn es gelte nunmehr die Vermutung, daß ein Unterhaltspflichtiger in der Lage sei, das Existenzminimum seines Kindes zu decken, das nach dem genannten Gesetz 135 % des Regelbetrages beträgt.

Er beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, für November und Dezember 2000 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages nach § 2 Regelbetragsverordnung abzüglich des hälftigen Kindergeldes von derzeit 135 DM sowie ab Januar 2001 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 135 von Hundert des jeweiligen Regelbetrages nach § 2 Regelbetragsverordnung zu bezahlen, abzüglich der hälftigen Kindergeldes von derzeit 135 DM, zahlbar jeweils monatlich im voraus bis zum 3. eines jeden Monats und zwar bis zum 29.2.2004 nach der zweiten Altersstufe und vom 1.3.2004 bis zum 10.3.2010 nach der dritten Altersstufe.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Berufung sei unzulässig. Denn eine Beschwer liege nicht vor, weil der Kläger erstinstanzlich hinsichtlich des angegriffenen Teils der Entscheidung voll umfänglich obsiegt habe. Eine Abänderung dieses Urteils könne er nur im Wege einer „neuen” Abänderungklage erreichen. Zudem bestehe auch materiell-rechtlich kein Anspruch. Er sei nicht in der Lage, die begehrte Rente ohne Gefährdung seines Selbstbehalts zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe

II

Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand haben sowohl die Berufung als auch die Rechtsverteidigung gegen diese hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Berufung ist nach Ansicht des Senats zulässig.

Zwar trifft es zu, daß eine Berufung in der Regel wegen fehlender Beschwer unzulässig ist, wenn der Kläger mit seinem erstinstanzlichen Klagantrag voll obsiegt hat. Denn die Beschwer ist anhand des erstinstanzlichen Antrages und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung zu ermitteln. Entsprechen sich der Antrag und der Inhalt der angefochtenen Entscheidung, liegt in der Regel keine Beschwer vor (vgl. BGH NJW-RR 1994, 61 re. Sp.; BGH NJW 1993, 597, 598 li. Sp.; OLG Köln FamRZ 1996, 299 re. Sp.; Münchener-Kommentar/Rimmelspacher, ZPO, 2. Aufl., vor § 511 Rn. 15; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., Einleitung zu § 511 Rn. 77; Zöller/Gummer vor § 511 Rn. 8 a).

Dieses gilt nach Ansicht des Senats jedoch nicht, wenn eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung und nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils aber vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist eingetreten ist. In diesen Fällen ist die Partei, für die sich aus der Veränderung der Vorschriften Rechtsvorteile ergeben, aus Gründen der Prozeßökonomie auch berechtigt, ihre Rechte im Wege der Berufung geltend zu machen (vgl. KG FamRZ 90, 1122, 1123 li. Sp.; OLG Koblenz FamRZ 1988, 1072; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 323 Rn. 34). Denn anderenfalls wäre sie gezwungen, erneut im Wege einer Unterhaltsabänderungsklage ihre weitergehenden Rechte geltend zu machen, obwohl sich die Sachlage des Prozesses nicht verändert hat. Hierdurch würde allen Verfahrensbeteiligten lediglich vermeidbarer höherer Aufwand entstehen. Dieser Auffassung stehen keine kostenrechtlichen Gesichtspunkte entgegen. Im Hinblick auf den aufgrund der erstinstanzlichen Ausurteilung unstreitig gewordenen Sachverhalt ist eine Anpassung des Urteils an die veränderten rechtlichen Verhältnisse in der Regel kostengünstiger und zeitsparender, als die Durchführung einer Abänderungsklage.

Ein Fall, in dem ausnahmsweise auch die Berufung zulässig ist, liegt hier vor.

Die Änderung der Rechtslage ist erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung und der Verkündung des Urteils der ersten Instanz eingetreten. Schluß der mündlichen Verhandlung ist der 11.10.20...

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