Leitsatz (amtlich)

1. Zur Qualifizierung von Süßlupineneiweiß, das im Wege wässriger Extraktion aus der Lupinenpflanze gewonnen wird, als "Zutat" eines veganen Joghurt-Ersatz-Produkts im Sinne von Art. 22 Abs. 1 LMIV (hier bejaht).

2. Zur "Hervorhebung" im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV durch bloß farbliche Abhebung vom übrigen (Fließ-) Text (hier bejaht).

3. Zu den Voraussetzungen einer Beschlusszurückweisung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.

4. Zu den Voraussetzungen der Gewährung einer so genannten Umstellungs- oder Aufbrauchsfrist (hier mit Blick auf erstmalige Hilfsantragstellung in zweiter Instanz verneint).

5. Zur Indizwirkung von parteiseitig - hier: übereinstimmend - geäußerten Wertvorstellungen für die Wertfestsetzung im Rahmen des § 51 Abs. 2 GKG.

 

Normenkette

EUV 1169/2011 Art. 22 Abs. 1 Buchst. b; GKG § 51 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Urteil vom 31.05.2021; Aktenzeichen 6 HK O 114/20)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.11.2022; Aktenzeichen I ZR 25/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 31.05.2021 - Az.: 6 H KO 114/20 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das unter Ziffer 1 genannte Urteil ist, ebenso wie der vorliegende Beschluss, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auch für den Berufungsrechtszug auf ... EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger - eine Vereinigung von Verbraucherverbänden in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins - nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.

Streitbegriffen ist die Etikettierung des von der Beklagten produzierten veganen Joghurt-Ersatzes "..." bzw. "...", ein lupinenbasiertes Produkt, das im Einzelhandel vertrieben wird und u.a. auch Mango bzw. Mangopüree enthält. Für die Herstellung wird aus der Lupinenpflanze Eiweiß extrahiert. Im Endprodukt findet sich dieses Eiweiß - zusammen mit Wasser - als Bestandteil einer so genannten "Lupinenzubereitung". Auf dem Etikett wird, farblich vom übrigen Text abgehoben, das "Eiweiß der Süßlupine" erwähnt und es finden sich Angaben zum Anteil der "Lupinenzubereitung" am Gesamtprodukt sowie zum Gesamteiweißanteil. Näheres zur optischen und textlichen Gestaltung des verfahrensgegenständlichen Etiketts ergibt sich aus dem hier nachfolgend unter II. wörtlich wiedergegebenen Hinweisbeschluss des Senats vom 17.12.2021 sowie aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 31.05.2021 (Magazindienst 2021, 717 ff. = LSK 2021, 20121), auf den ergänzend Bezug genommen wird, auch für die Fassung der Sachanträge der Parteien.

Der Kläger, der vor dem Landgericht obsiegt hat, hält die Gestaltung des Etiketts für unvereinbar mit lebensmittelrechtlichen Vorgaben, woraus Ansprüche sowohl aus § 8 Abs. 1 UWG als auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG resultieren würden. Konkret stelle es einen Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV dar, wenn die Beklagte einerseits auf der Verpackung das "Eiweiß der Süßlupine" - offenkundig werbend - in den Vordergrund rücke, dann aber den Anteil konkret dieser "Zutat" am Produkt nicht angebe.

Mit ihrer auf den Senatsbeschluss vom 17.12.2021 Bezug nehmenden Gegenerklärung vom 03.02.2022, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, ergänzt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag um Hilfsanträge, mit denen Sie auf die Einräumung einer Umstellungs- oder Aufbrauchsfrist abzielt.

Von weiterer Darstellung wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 522 Abs. 3, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung bleibt sachlich ohne Erfolg.

A. Mit Beschluss vom 17.12.2021 (Band III Blatt 42 f. d.A.) hat der Senat ausgeführt:

"(...) die angegriffene Unterlassungsverurteilung begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte ist, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, verpflichtet, die Menge des bei der Herstellung ihrer veganen Joghurtalternative '...' bzw. '...' verwendeten Lupineneiweißes anzugeben; das folgt aus Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV. Auch im Berufungsrechtszug trägt die Beklagte hiergegen nichts Durchgreifliches vor.

1. Bei dem in Rede stehenden Lupineneiweiß handelt es sich um eine 'Zutat' i.S.d. Art. 22 Abs. 1 LMIV. Daran ändert weder der Umstand etwas, dass 'Eiweiß' zugleich ein unter Nährwertgesichtspunkten deklarierungspflichtiger Inhaltsstoff i.S.d. Art. 30 Abs. 1 Satz 1 lit. b) LMIV ist, noch die Tatsache, dass sich zwischen die Verarbeitungsstufen 'Lupineneiweiß' und 'Endprodukt' als Durchgangsstadium des Produktionsprozesses die im Zutatenverzeichnis (Art. 18 LMIV) als solche erwähnte - quarkähnliche - 'Lupinenzubereitung' (bestehend aus dem Lupineneiweiß, seinerseits im Wege eines isoelektrischen Proteinfällungsprozesses aus der Lupine gewonnen - isoliert -, und Wasser) 'schiebt'. Dass auch die Lupine als solche, also der natürliche 'Urstoff', 'Zutat' im hier maßgeblichen Sinne ist bzw. sein kann, steht der Eigenschaft des 'Lupineneiweißes' als 'Zutat' gleichfalls nicht entgegen.

a) Die Überschneidung zwischen Art. 22 Abs. 1 LMIV und Art. 3...

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