Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufbrauchsfrist, Lmiv, Zutatenverzeichnis, Durchschnittsverbraucher, Verkehrsüblichkeit, Unterlassungsanspruch, Verkehrsübliche Bezeichnung, Lebensmittelinformationsverordnung, Lebensmittelbuchkommission, Lebensmittelunternehmer, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Unverhältnismäßiger Nachteil, Klageantrag, Verpackungsmaterial, Klagezustellung, Rechtsvorschriften, Landgerichtsurteil, Unterlassungsantrag, Unterlassungsgebot, Unterlassungspflicht
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 21.12.2021; Aktenzeichen 33 O 3572/21) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.12.2021, Az. 33 O 3572/21, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer I. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 30.000,00 sowie im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche in Bezug auf die LebensmittelinformationsVerordnung (LMIV).
Der Kläger ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. Die Beklagte ist eine im Allgäu ansässige Lebensmittelherstellerin (Anlage K 1).
Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung "S.V" unter anderem die in den Tenor des landgerichtlichen Urteils eingelichteten veganen Lebensmittel (Anlagen K 6, K 7, K 8, K 9 und K 10) an, die entweder mit der Angabe "mit Mandeln" versehen sind oder die Abbildung einer Mandel tragen.
Das Zutatenverzeichnis der Lebensmittel weist jeweils an erster Stelle als Zutat ein sogenanntes "Mandelerzeugnis" mit jeweils unterschiedlichen vorangestellten Prozentangaben aus, wobei in einem Klammerzusatz "Wasser" bzw. "Trinkwasser" und "Mandeln" als Bestandteile genannt sind und den Mandeln wiederum unterschiedliche Prozentangaben vorangestellt werden.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 14.01.2021 (Anlage K 2) wegen Verstößen gegen die LMIV ab.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte verstoße durch die Verwendung des Kunstbegriffs "Mandelerzeugnis" gegen die LMIV, nach der das Zutatenverzeichnis eines verpackten Lebensmittels aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels bestehen müsse. Das sei wegen des verwendeten Begriffs "Mandelerzeugnis" nicht der Fall, weil hierdurch verschleiert werde, dass die gewichtsmäßig bedeutendste Zutat tatsächlich "Wasser" sei, das eigentlich an erster Stelle stehen müsse.
Eine zusammengesetzte Zutat dürfe unter ihrer Bezeichnung im Zutatenverzeichnis ausnahmsweise nur dann deklariert werden, wenn sie in einer Rechtsvorschrift festgelegt oder üblich sei. Der Begriff "Mandelerzeugnis" finde sich indes in keiner Rechtsvorschrift. Auch sei er keineswegs üblich, sondern nur ein von der Beklagten erdachter Phantasiebegriff. Da folglich die Ausnahme für zusammengesetzte Zutaten nicht einschlägig sei, hätte die Beklagte in ihrem Zutatenverzeichnis richtigerweise die Einzelzutaten in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils anführen und folglich das "Wasser" voranstellen müssen.
Ein weiterer Verstoß der Beklagten gegen die LMIV liege darin, dass sie "Mandeln" in Wort und Bild schon auf der Schauseite der Lebensmittel herausgehoben auslobe, aber nicht deklariere, in welcher Menge diese herausgehobene Zutat bei der Herstellung oder Zubereitung des Lebensmittels in Relation zu allen anderen Zutaten verwendet werde.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
I. Der Beklagten wird verboten,
a) vorverpackte vegane Lebensmittel anzubieten oder zu vertreiben, wenn in deren Zutatenverzeichnis der Begriff "Mandelerzeugnis" als Zutat angegeben wird, wie geschehen in den nachstehend eingeblendeten Zutatenverzeichnissen der Produkte aa) "S.V Kräuter Vegane Genießerscheiben"
und/ oder und/ oder cc) "S.V Burger Scheiben" und/ oder dd) "S.V Reibegenuss" und/ oder ee) "S.V FRISCHE GENUSS"
und/ oder b) die Menge der bei Herstellung oder Zubereitung der angebotenen vorverpackten veganen Lebensmittel verwendeten Zutat "Mandeln" (in Verhältnis gesetzt zu allen anderen Zutaten) nicht anzugeben, wenn auf "Mandeln" durch Worte und/ oder Abbildungen gesondert hingewiesen wird, wie auf den folgenden Produktverpackungen der Fall:
aa) Vorder- und Rückseite und/oder
bb) Vorder- und Rückseite
cc) Vorder- und Rückseite und/oder
dd) Oberseite- und Seitenaufdruck "S.V Frische Genuss"
II. Der Beklagten wird für jeden Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungen gemäß Ziffer l. ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren (Haft zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer) angedroht.
...