Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des Entschädigungsanspruchs eines Sachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Sachverständiger, der erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnt wird, verliert nur dann seinen Entschädigungsanspruch, wenn er grobfahrlässig oder vorsätzlich die Unverwertbarkeit seiner Leistung herbeiführt.

2. Bei Entgegennahme des Auftrages hat er auf einen möglicherweise in seiner Person liegenden Ablehnungsgrund hinzuweisen, damit die Parteien entscheiden können, ob sie gleichwohl die Begutachtung durch ihn wünschen. Versäumt er diesen Hinweis und wird er deshalb später mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, verwirkt er seinen Entschädigungsanspruch selbst dann, wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 413, 407a; JVEG § 24; ZSEG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 21.05.2008; Aktenzeichen 7 O 705/98)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des LG Stralsund, Az.: 7 O 705/98, vom 21.5.2008 aufgehoben.

Dem Sachverständigen Dr. Ing. bleibt die Vergütung für die von ihm erstatteten Gutachten nebst erfolgten Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in der Zeit von April 2001 bis Mai 2008 erhalten.

 

Gründe

I. Die Kläger machen gegen die Beklagte restlichen Werklohn aus einem Auftrag über Nassbaggerarbeiten geltend.

Durch Beweisbeschluss vom 18.4.2001 wurde der Sachverständige Dr. Ing. mit der Erstellung eines Gutachtens im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag und den in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien streitigen Fragen zu Preisgrundlagen, vorgesehenen Leistungen, verspäteten Baubeginn etc. beauftragt.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.8.2007 führte der Sachverständige u.a. aus, dass er dort wiedergegebene Kenntnisse deswegen habe, weil er in den 80er Jahren für " " gearbeitet habe. Auf Nachfrage ergänzte er, dass er Geschäftsführer einer Firma in gewesen sei, deren Gesellschafter zu je 50 % die Fa. und die Fa. gewesen seien. Auf Antrag der Beklagten erklärte das LG den Sachverständigen durch Beschluss vom 18.12.2007 für befangen.

Auf Anregung der Bezirksrevisorin bei dem LG Stralsund sowie auf Antrag der Beklagten hat die 7. Zivilkammer des LG Stralsund durch Beschluss vom 21.5.2008 dem Sachverständigen jegliche Vergütung für die von ihm erbrachten Leistungen versagt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der genannten Beschlüsse Bezug genommen.

Gegen den letztgenannten Beschluss hat der Sachverständige durch Schriftsatz vom 3.6.2008 Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, er habe für die Klägerseite keine "früheren Tätigkeiten" erbracht. In diesem Punkt sei der aberkennende Beschluss objektiv unzutreffend. Allein die Tatsache, dass er in den 80-er Jahren im Auftrage seines Arbeitgebers, der, als Geschäftsführer der und der Firma zusammengearbeitet habe, bedeute nicht, dass er für eine der klägerischen Firmen gearbeitet habe. Die Tätigkeit bei habe von 1977 bis Ende 1979 gedauert. Er habe in dieser Zeit lediglich für eine Beteiligungsgesellschaft der Muttergesellschaft der Klägerin zu 1. gearbeitet, die Klägerin zu 1. habe seinerzeit noch gar nicht bestanden. Bis zur Annahme des Sachverständigenauftrages in diesem Verfahren seien 21 Jahre vergangen gewesen. Eine Befangenheit ergebe sich daraus nicht.

Der Sachverständige beantragt, den Antrag der Beklagten, ihm den Verlust eines Entschädigungsanspruches auszusprechen und die ihm gewährte Entschädigung zurückzufordern, zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Beschluss für inhaltlich zutreffend. Alleine die Tatsache, dass sich der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen seiner Gutachterbefragung auf Kenntnisse außerhalb des Prozesses bezogen habe, die er im Rahmen einer früheren Tätigkeit erlangt habe, rechtfertige bereits den Verlust seines Entschädigungsanspruches, da der Ablehnungsgrund bereits mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und Beteiligten in dem Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Beschwerde des Sachverständigen ist gem. § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Sie ist auch begründet. Das LG Stralsund hat ihm zu Unrecht den Entschädigungsanspruch aberkannt.

1. Der Enschädigungsanspruch des Sachverständigen ergibt sich, da seine Beauftragung vor dem 1.7.2004 erfolgt war, gem. § 413 ZPO i.V.m. § 24 JVEG aus den Bestimmungen des ZSEG. Gemäß § 3 Abs. 1 ZSEG wird der Sachverständige für seine Leistung entschädigt. Das Gesetz enthält keine Regelung darüber, ob der Sachverständige auch dann zu entschädigen ist, wenn er, z.B. durch seine Ablehnung wegen Befangenheit, die Unverwertbarkeit des von ihm erstatteten Gutachtens verursacht hat.

Die Anwendung bürgerlichrechtlicher Bestimmungen, etwa des Dienst- oder Werkvertrages, auf diesen Fall kommt nicht in Betracht, weil die bürgerlich-rechtlichen Regelungen...

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