Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Beiordnung eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hinsichtlich der nach § 121 Abs. 3 ZPO eingeschränkten Beiordnung ("zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts") eines Prozessbevollmächtigten ist auch die Partei selbst beschwerdeberechtigt.

2. Für die nach § 121 Abs. 3 ZPO anzustellende Prüfung ist eine Vergleichsberechnung erforderlich, in der die Reisekosten zu berücksichtigen sind, die bei dem auswärtigen und - im Vergleich dazu - bei einem noch im Gerichtsbezirk, aber am weitesten weg vom Gerichtsort ansässigen Anwalt entstehen können. Außerdem sind ggf. die Kosten zu berücksichtigen, die durch die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 131 Abs. 4 ZPO anfallen und durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts erspart werden können. Sind die Kosten im konkreten Fall geringer, kann der auswärtige Anwalt beigeordnet werden.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 3, § 131 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Beschluss vom 07.04.2009)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 11.5.2009 gegen den Beschluss des LG vom 7.4.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 9.7.2009 wird dieser dahingehend abgeändert, dass die Prozesskostenhilfe - rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung - im Umfang des erweiterten Antrags vom 11.5.2009 sowie ohne die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" gewährt wird.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die im Bezirk des LG N. wohnhafte Klägerin macht vor dem LG Neubrandenburg verschiedene Aufwendungserstattungs- und Schadensersatzansprüche aus einem Treuhandverhältnis geltend. Hierfür begehrt sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer in N. ansässigen und im dortigen Landgerichtsbezirk zugelassenen Prozessbevollmächtigten. Ihren ersten Antrag vom 9.1.2009 hat sie mit weiterem Antrag vom 11.5.2009 hinsichtlich der Zinsen nach Zinsbeginn und -höhe erweitert.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG dem ursprünglichen Antrag teilweise entsprochen und ihn im Übrigen mangels Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) zurückgewiesen. Außerdem hat es die Prozessbevollmächtigte der Klägerin "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet.

Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz der Prozessbevollmächtigten "namens und in Vollmacht" der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde, mit der die Klägerin weiter um Prozesskostenhilfe in vollem Umfang unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten ohne Einschränkung ersucht.

Das Rechtsmittel, dem das LG nicht abgeholfen hat, ist erfolgreich.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Das gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig.

a) Die Notfrist von einem Monat (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nach der am 14.4.2009 erfolgten Zustellung der angefochtenen Entscheidung ist eingehalten, da die Beschwerdeschrift am 13.5.2009 beim LG einging.

b) Die erforderliche Beschwer der Klägerin ist ebenfalls gegeben.

aa) Dass es sich um eine sofortige Beschwerde der Klägerin und nicht etwa um eine solche ihrer Prozessbevollmächtigten handelt, ergibt sich aus der Formulierung in der Beschwerdeschrift:

"In dem Rechtsstreit (...) legen wir hiermit namens und in Vollmacht der Antragstellerin gegen den Beschluss (...) sofortige Beschwerde ein (...)"

bb) Soweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise mangels Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist, liegt die Beschwer der Klägerin auf der Hand (§ 127 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz, vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 127 Rz. 13).

cc) Aber auch hinsichtlich der nach § 121 Abs. 3 ZPO eingeschränkten Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten ist nach Ansicht des Senats - jedenfalls auch - die Partei selbst beschwerdeberechtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2004 - XII ZB 61/04, BGHZ 159, 376, juris Tz. 4 sowie Beschl. v. 10.10.2006 - XI ZB 1/06, NJW 2006, 3783 = FamRZ 2007, 37, juris Tz. 3; OLG Rostock - 1. Familiensenat -, Beschl. v. 24.11.2008 - 10 WF 196/08, JurBüro 2009, 97, juris Tz. 2; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.1.2000 - 9 WF 189/99 u.a., FamRZ 2000, 1385, juris Tz. 1; OVG Hamburg, Beschl. v. 1.12.2008 - 4 So 75/08, NJW 2009, 1433, juris Tz. 2 ff.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.1.2008 - 4 WF 125/07, FamRZ 2008, 1355, juris Tz. 8; Motzer in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 127 Rz. 14; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 127 Rz. 14; Zöller/Geimer, a.a.O., § 127 Rz. 19; a.A. z.B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2007 - 16 WF 40/07, FamRZ 2007, 1111, juris Tz. 2; jeweils m.w.N.).

So ist bereits eine formelle Beschwer der Partei gegeben, wenn ihrem Antrag - auf unbeschränkte Beiordnung eines Rechtsanwaltes - nicht in vollem Umfang, sondern eben eingeschränkt - zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes - stattgegeben wird.

Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass der beigeordnete Anwalt die Partei wegen der Kosten - insbesondere Reisekosten und Abwesenheitsgelder (VV 7003, 7005 zu § 2 Abs. 2 RV...

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