Leitsatz (amtlich)
1. Die in den Landespressegesetz geregelten Auskunftspflichten beruhen auf dem verfassungsrechtlich gesicherten Grundsatz der Pressefreiheit. Die Presse muss daher nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht; eine Bewertung des Informationsinteresses findet nicht statt (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 08.07.2021 - 6 A 10/20 -, BVerwGE 173, 118 ff.).
2. Die Anerkennung schutzwürdiger privater Interessen (im Sinne des § 4 Abs. 3 Nummer 2 LPrG M-V) bedarf einer umfassenden Güterabwägung. Ein "bloßer" Ansehensverlust eines von der Auskunftspflicht betroffenen Unternehmens allein genügt nicht.
Normenkette
PresseG MV § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 24.06.2022; Aktenzeichen 3 O 118/22) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 24. Juni 2022, Aktenzeichen 3 O 118/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfügungskläger begehrt als Journalist von der Verfügungsbeklagten Auskunft nach dem Landespressegesetz Mecklenburg-Vorpommerns.
Der Verfügungskläger ist Journalist der Zeitung "Die Welt" im Bereich Investigation und Reportage. Als solcher schreibt und recherchiert er zu den Hintergründen und Geschäften der Verfügungsbeklagten.
Die Verfügungsbeklagte ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die am 8. Januar 2021 von der Stiftungsbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern anerkannt wurde. Sie wurde vom Land Mecklenburg-Vorpommern mit einem Stiftungskapital von 200.000 EUR sowie einmaligen 50.000 EUR für den Vollzugsaufwand für die Stiftungserrichtung ausgestattet. Der Stiftungsvorstand der Verfügungsbeklagten wird ebenso wie das Kuratorium von der Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern bestellt bzw. berufen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der in erster Instanz gestellten Parteianträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Schwerin vom 24. Juni 2022 Bezug genommen.
Das Landgericht Schwerin hat die Verfügungsbeklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Beantwortung der aus dem Tenor ersichtlichen Fragen der Antragsschrift verurteilt. Im übrigen ist die Erledigung in der Hauptsache festgestellt worden.
Mit ihrer Berufungsbegründung rügt die Verfügungsbeklagte, ein presserechtliches Informationsinteresse des Verfügungsklägers bestehe nicht. Inwieweit die Namen der Vertragspartner eine Verbindung zur Gründung der verfügungsbeklagten Stiftung aufweisen, sei nicht ansatzweise dargetan und erkennbar. Ebenso wenig zeige der Verfügungskläger in Bezug auf die zu nennenden Namen einen Kontext zur Geschäftstätigkeit der verfügungsbeklagten Stiftung auf. Es handele sich um eine rechtlich unzulässige Ausforschung. Zudem sei bei der Abwägung der Interessen danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen sei; hier sei zu beachten, dass die Vertragsbeziehungen zwischen der Verfügungsbeklagten und ihren Vertragspartnern der Privatsphäre zuzurechnen seien. Die Benennung der Unternehmen lasse für diese existenzgefährdende Nachteile befürchten, sie müssten damit rechnen, "an den Pranger" gestellt zu werden. Es könne ein Interesse daran bestehen, zu erfahren, was Landtag und Landesregierung getan haben, trotz Sanktionen mitzuhelfen, den Bau der Pipeline zu vollenden; die Namen der einzelnen Vertragspartner würden hierzu aber keinerlei zusätzliche Aufklärung liefern. Dem Vertraulichkeitsinteresse sei daher Vorrang einzuräumen; dies gelte umso mehr als die Vertragspartner aufgrund Geheimhaltungsklauseln in den mit der Verfügungsbeklagten abgeschlossenen Verträgen auf den rechtlichen Schutz ihrer individuellen Daten gegenüber der Öffentlichkeit haben vertrauen dürfen. Die Verfügungsbeklagte habe zudem das schutzwürdige Interesse, keinen Schadensersatzforderungen ihrer Vertragspartner ausgesetzt zu werden.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 14. Juni 2022 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Der Verfügungskläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Verfügungskläger ist der Auffassung, die Berufung sei unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht den rechtlichen Vorgaben entspreche. Es setzte sich mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht auseinander. Im Übrigen sei das Urteil ohne Rechtsfehler ergangen. Ein Interesse der Öffentlichkeit bestehe über die Tätigkeit der Landesregierung hinausgehend, dies gelte insbesondere für bestimmte Unternehmen, die auch aus anderen Gründen in der Kritik stünden und der Recherche wert seien. Im Übrigen habe kein Gericht zu entscheiden, ob ein Thema berichtenswert sei. Die Verfügungsbeklagte belege zudem nicht, dass die mit ihr in Vertragsbeziehungen stehenden Unternehmen durch i...