Entscheidungsstichwort (Thema)
Zitierungen: Anschluss BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1977 - VIII ZB 23/77; BGH, Beschluss vom 22. Juni 1993 - X ZR 25/86; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. September 2003 - 16 WF 156/03 und OLG München, Beschluss vom 1. November 2011 - 34 Wx 388/11.
Leitsatz (amtlich)
1. Über einen Streit über die Wirksamkeit einer Antragsrücknahme in einer Familienstreitsache ist - wenn das Familiengericht die Wirksamkeit bejaht - nicht durch eine mit der Beschwerde nach §§ 58 ff., 117 FamFG anfechtbare Endentscheidung, sondern durch einen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschluss zu entscheiden.
2. Zwar kann eine trans- oder postmortale Generalvollmacht selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. Bei der nach den Maßstäben des § 133 BGB vorzunehmenden Auslegung der Erklärungen des Erblassers und Vollmachtgebers wird es allerdings im allgemeinen dessen maßgeblicher Wille sein, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen (Testamentsvollstrecker hier, Bevollmächtigter da) mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen.
Normenkette
BGB § 133; FamFG §§ 58, 113 Abs. 1 S. 2, § 117; ZPO § 269 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
AG Ludwigslust (Beschluss vom 21.12.2020; Aktenzeichen 14 F 102/17) |
Tenor
1.1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ludwigslust - Familiengericht - vom 21.12.2020 wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 237.485,00 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer von der Enkeltochter der am 27.04.2020 verstorbenen C. (nachfolgend: Erblasserin) erklärten Antragsrücknahme.
Die durch die Rechtsanwälte Dr. J. vertretene Erblasserin hat den Antragsgegner zuletzt auf Übertragung von Miteigentumsanteilen an von ihr näher beschriebenen Grundstücken, auf Zahlung und auf Herausgabe von ihr näher beschriebener Unterlagen in Anspruch genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf ihren Schriftsatz vom 03.05.2019 (Bd. IV, Bl. 594 bis 678 d.A.) Bezug genommen. Vor ihrem Tod hat die Erblasserin ihrer Enkeltochter am 31.01.2020 eine "Vorsorgevollmacht" erteilt, wegen deren Inhalts auf die zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen wird (Bd. VIII, Bl. 1301 d.A.). Mit ihrem eigenhändigen Testament vom 11.02.2020 hat sie ihre Enkeltochter zu ihrer Alleinerbin eingesetzt, für ihren Nachlass aber Testamentsvollstreckung angeordnet und die B. zur Testamentsvollstreckerin berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie dieses Testaments Bezug genommen (Bd. VIII, Bl. 1373 bis 1375). Mit Schriftsatz vom 04.06.2020 ist dem Amtsgericht zudem eine Kopie einer handschriftlichen "Letztwillige(n) Verfügung" der Erblasserin vom 22.02.2020 von den Rechtsanwälten Dr. J. übersandt worden, von der diese kein Original haben vorlegen können. Nach dieser Kopie - auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bd. VIII, Bl. 1344 d.A.) - hat die Erblasserin als letzten Willen unter anderem angeordnet:
"Meine Enkelin Frau ... soll meine Alleinerbin sein. Wegen der Geltendmachung und Durchsetzung meiner Ansprüche gegen R., die derzeit beim Amtsgericht Ludwigslust zur dortigen Geschäfts-Nr. 14 F 102/17 rechtshängig sind, ordne ich Testamentsvollstreckung an. Hiervon umfasst sind auch etwaige Klageerweiterungen, die mit diesen Ansprüchen in Verbindung stehen. Ich weise den Testamentsvollstrecker an, den Rechtsstreit durch die von mir beauftragte Kanzlei Dr J. Rechtsanwälte nach deren pflichtgemäßen Ermessen fortführen zu lassen. Die Testamentsvollstreckung dauert jedenfalls bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits gegen R., im Fall des Obsiegens bis zur Durchsetzung der titulierten Ansprüche an. (...) Zum Testamentsvollstrecker für die vorgenannten Aufgaben ernenne ich Rechtsanwalt Dr. J. (...), der das Recht hat, einen Nachfolger zu bestimmen. (...) Für die von der vorstehenden Testamentsvollstreckung nicht betroffenen Aufgabenbereiche und Vermögenswerte bleibt es im Übrigen bei der von mir angeordneten Testamentsvollstreckung durch die Commerzbank."
Mit Schriftsatz vom 05.05.2020, der per Fax vorab (ohne Anlagen) noch am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen war, haben die Rechtsanwälte H. dem Amtsgericht mitgeteilt, dass die Antragstellerin verstorben sei, diese ihrer Mandantin (der Enkeltochter) unter dem 31.01.2020 eine postmortale Vorsorgevollmacht erteilt habe und das Mandatsverhältnis mit den bisherigen Verfahrensbevollmächtigten gekündigt worden sei. Weiter heißt es in diesem Schriftsatz: "Namens und im Auftrag unserer Mandantin, diese handelnd aufgrund der postmortalen Vollmacht, werden hiermit alle Anträge zurückgenommen....