Entscheidungsstichwort (Thema)

Corona Terminverlegung und Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Jedenfalls dann, wenn das persönliche Erscheinen der Partei vom Gericht zum Termin angeordnet ist, liegt in der coronabedingten Isolation der Partei zum Zeitpunkt des Termins zur mündlichen Verhandlung ein wichtiger Grund im Sinne des § 227 ZPO, der auf Antrag die Verlegung des Verhandlungstermins erfordert.

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Aktenzeichen 1 O 14/21)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 13.10.2021 abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen die Richterin F. wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Nach einer Vielzahl von Terminsverlegungen - aus unterschiedlichen Gründen und sowohl auf Antrag der Klägerin als auch des Beklagten - bestimmte die abgelehnte Richterin mit Verfügung vom 27.04.2021 neuen Termin zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den 30.08.2021, 11:15 Uhr. Sie ordnete das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhaltes (§ 141 Abs. 1 ZPO) und für einen Güteversuch (§ 278 Abs. 3 ZPO) an.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.08.2021, eingegangen per beA auf dem Server am 27.08.2021, 15:21 Uhr, beantragte der Beklagte, den Termin vom 30.08.2021 zu verlegen, weil er sich ausweislich des beigefügten Attests coronabedingt in Quarantäne befinde. Beigefügt war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.08.2021, nach der der Beklagte vom 26.08.2021 bis einschließlich 30.08.2021 arbeitsunfähig sei.

Nach einem Vermerk der Geschäftsstelle vom 30.08.2021 habe es am 27.08.2021 eine Störung der elektronischen Eingangsfachanwendung ELA (Eingangslistenapplikation) gegeben, sodass der Schriftsatz erst am 30.08.2021 in der Geschäftsstelle eingegangen sei. Kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung ist der Schriftsatz der abgelehnten Richterin zur Kenntnis gegeben worden. Diese hat daraufhin telefonisch die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beklagten darüber informieren lassen, dass der Termin bestehen bleibe; der Prozessbevollmächtigte des Beklagten persönlich ist jedoch nicht erreichbar gewesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für den Beklagten niemand und die abgelehnte Richterin verkündete sodann folgenden Beschluss: "Dem Terminsverlegungsantrag wird nicht stattgegeben", sowie am Ende der Sitzung auf Antrag der Klägerin ein klagestattgebendes Versäumnisurteil.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.09.2021 legte der Beklagte gegen das Versäumnisurteil fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Gleichzeitig hat er die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Beklagte habe ärztlich attestiert coronabedingt nicht am Termin teilnehmen können. Die Richterin, die das rechtzeitig erfahren habe, habe kurz vor Terminsbeginn von ihrer Geschäftsstelle ausrichten lassen, dass es ja wohl reiche, wenn sein Prozessbevollmächtigter erscheine, denn dass der Beklagte nicht persönlich erscheinen könne, sei für sie kein Grund. Hierin liege nicht nur eine vorsätzliche Vernichtung rechtlichen Gehörs, eine derart verachtende Haltung gegenüber den Rechten einer Partei suche seines Gleichen.

In ihrer dienstlichen Stellungnahme hat die abgelehnte Richterin wie folgt ausgeführt:

"Das Terminsverlegungsgesuch vom 27.08.2021 ist erst am 30.08.2021 kurz vor der Beginn des Termins eingegangen, sodass eine vorherige Reaktion der unterzeichnenden Richterin, welche den Anfahrtsweg der Prozessbevollmächtigten berücksichtigt, nicht möglich war. Dennoch wurde vor Beginn des Termins telefonisch der später in der mündlichen Verhandlung gefasste Beschluss der Kanzlei des Beklagtenvertreters mitgeteilt ohne das der Prozessbevollmächtigte selbst zu erreichen war.

Substantiiert gewichtige Gründe, weshalb die Anwesenheit der anwaltlich vertretenen Partei erforderlich ist oder der Prozessbevollmächtigte über den Verfahrensgegenstand nicht hinreichend informiert werden konnte, wurden nicht dargelegt (vgl. Zöller, § 227 Rn. 6 mwN)."

In seiner Stellungnahme hierauf hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass es in der Natur der Sache liege, dass krankheitsbedingte Verlegungsanträge wie der vorliegende regelmäßig kurzfristig gestellt würden.

Die Darlegung der abgelehnten Richterin, der Verlegungsantrag vom 27.08.2021 sei erst am 30.08.2021 kurz vor dem Termin eingegangen, erscheine wahrheitswidrig. Vielmehr sei er nebst Attest bereits am 27.08.2021 um 15:21 Uhr gemäß beA-Zustellungsnachweis eingegangen. Soweit die Richterin ihre voreingenommene Entscheidung nun auch durch eine falsche Darstellung der Tatsachen zu rechtfertigen sucht, sei sie für den Beklagten nicht tragbar. Bis zur mündlichen Verhandlung am 30.08.2021 um 11:00 Uhr sei mehr als genug Zeit gewesen für eine rechtzeitige Reaktion.

Mit Beschluss vom 13.10.2021 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch des Beklagten zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen einer Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit lägen ersichtlich nic...

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