Leitsatz (amtlich)

1. Verfügt ein bundesweit tätiger Versicherer über so genannte "Hausanwälte" an verschiedenen Orten, welchen er im Wege des Outsourcing die weitere Bearbeitung von Leistungsfällen im Zusammenhang mit gerichtlichen Streitigkeiten überlässt, muss er diese organisatorischen Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Kostenminderung in Ausrichtung an dem konkreten Streitfall sachorientiert und effizient nutzen.

2. Dies bedingt die Mandatierung eines gerichtsansässigen "Hausanwaltes", wenn die Erforderlichkeit einer besonderen Spezialisierung eines Rechtsanwaltes am dritten Ort nicht ersichtlich ist.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Beschluss vom 10.01.2023; Aktenzeichen 3 O 213/16)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 10.01.2023 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist eine Kostenfestsetzung bei Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts am dritten Ort durch eine der Parteien.

Diese stritten in der Hauptsache über Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund eines Unfallereignisses unter Beteiligung eines Anhängers, für welchen bei der Beklagten zu 1) für die Lebensgefährtin des Sohnes des Klägers eine Haftpflichtversicherung bestand. Nach dem Vortrag des Klägers war der Anhänger ohne ausreichende Sicherung abgestellt worden und in der Folge gegen sein Wohnmobil gerollt, in welches die Deichsel des Anhängers einschlug. Die Beklagte zu 1) machte geltend, dass sich der Unfall nicht so abgespielt haben könne, wie von dem Kläger dargelegt. Die Beklagte zu 1) hat ihren Sitz in M. und beauftragte mit ihrer Vertretung in dem Rechtsstreit ihre in D. ansässigen Prozessbevollmächtigten. Diese werden von der Beklagten zu 1) regelmäßig für die Bearbeitung von Haftpflicht- und Kaskoschadensfällen in Anspruch genommen, wobei die Mandatsbearbeitung ohne gesonderte Instruktionen lediglich durch Übersendung der Vorgangsakte erfolgt; eine Mandatierung gerichtsansässiger Anwälte bedingte anderenfalls weitere Personaleinstellungen bei der Beklagten zu 1). In den Terminen der mündlichen Verhandlung im ersten und zweiten Rechtszug traten wiederum jeweils Unterbevollmächtigte für die Beklagte zu 1) auf. Aufgrund einer in der Berufungsinstanz bestätigten Abweisung der Klage wurden die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt bei einem Streitwert von bis zu 25.000,00 EUR.

Eine Kostenfestsetzung beantragte die Beklagte zu 1) daraufhin mit Eingang am 19.09.2019 für den ersten Rechtszug und mit Eingang am 06.10.2022 über einen Betrag in Höhe von 3.399,59 EUR bzw. am 04.11.2022 über einen Betrag in Höhe von 3.628,07 EUR für den zweiten Rechtszug unter Einbeziehung für die Unterbevollmächtigten angefallener Kosten; sie führte an, dass es ihr freigestanden habe, auch einen Rechtsanwalt an ihrem Firmensitz zu beauftragen.

Das Landgericht hat demgegenüber zu Gunsten der Beklagten zu 1) lediglich Gebühren und Auslagen festgesetzt, wie sie im Falle der Beauftragung eines Rechtsanwaltes aus dem jeweiligen Bezirk des erstinstanzlichen sowie des Berufungsgerichts angefallen wären unter Zugrundelegung der weitesten Entfernung zu dem Gerichtsort innerhalb der Bezirksgrenzen. Es hat dazu unter anderem ausgeführt, würden mehrere Rechtsanwälte oder ein auswärtiger Rechtsanwalt tätig, bedürfe es der Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die dadurch entstandenen Mehrkosten erforderlich seien. Notwendige Voraussetzung für die Erstattung von Kosten eines Unterbevollmächtigten sei insofern, dass die dem Hauptbevollmächtigten im Falle eigener Terminswahrnehmung zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten wären. Dies sei hier zu verneinen, weil aus anderen Verfahren bekannt sei, dass die Beklagte zu 1) regelmäßig auch Rechtsanwälte aus Schwerin, Lübeck und Stralsund beauftrage, für welche sie geltend mache, dass es sich bei ihnen ebenfalls um ihre "Hausanwälte" handele. Wenn man der Beklagten zu 1) mehrere solche zugestehe, habe sie aufgrund ihrer Kostenminderungspflicht näher am Prozessort ansässige anwaltliche Bevollmächtigte beauftragen müssen. Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stelle im Übrigen zwar im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder -verteidigung dar; eine Ausnahme davon sei jedoch anzunehmen, wenn bereits bei Auftragserteilung feststehe, dass ein eingehendes Mandantengespräch nicht notwendig sei. Die Beklagte zu 1) könne sich insofern dafür, dass eine Mandatierung von Bevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts für sie nicht in Betracht gekommen sei, nicht einerseits darauf berufen, den hier beauftragten Rechtsanwälten regelmäßig ohne weitere Instruktionen lediglich die Mitgliedsakten zur selbstständigen Bearbeitung nach den ihnen bekannten Geschäftsgrundsätzen zu überlassen, und gleichz...

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