Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen: Rechtliche Konsequenzen der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch für die tatrichterlichen Feststellungen zur Höhe einer Geschwindigkeitsüberschreitung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen auf den Rechtsfolgenanspruch beschränkt, erwachsen auch die tatrichterlichen Feststellungen zur Höhe einer Geschwindigkeitsüberschreitung als sogenannte doppelrelevante Tatsachen in Rechtskraft und sind damit für das weitere Verfahren, in Sonderheit für die Frage, ob die gesetzlich normierten Voraussetzungen eines Regelfahrverbots vorliegen, bindend.

Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht allein deshalb unwirksam, weil mit der Rügebegründung Rechtsfehler beanstandet werden, die auch den Schuldspruch berühren und die ohne eine Beschränkung des Rechtsmittels das gesamte Urteil zu Fall brächten.

Steht fest, das die anwaltlich erklärte Rechtsmittelbeschränkung ungeachtet der zu ihrer Begründung erhobenen Einzelbeanstandungen tatsächlich so gewollt ist, besteht kein Anlass, im Wege richterlicher Auslegung dennoch von einem unbeschränkten Rechtsmittel auszugehen. Der mögliche Irrtum des Verteidigers über die rechtlichen Konsequenzen der vorgenommenen Beschränkung ist kein solcher im Sinne von § 300 StPO.

 

Normenkette

OWiG § 79 Abs. 3 S. 1; StPO §§ 300, 344 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Rostock (Entscheidung vom 22.09.2015; Aktenzeichen 440 Js 20164/15 OWi - 25 OWi 444/15)

 

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 22.09.2015 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Rostock verurteilte den Betroffenen am 22.09.2015 wegen fahrlässiger Überschreitung der an der Messstelle innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um vorwerfbare 31 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 160 Euro und verhängte gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er unter Erhebung von mehreren Verfahrens- und der allgemeinen Sachrüge die Aufhebung des angefochtenen Urteils (nur) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen beantragt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 23.11.2015 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das statthafte und zulässig angebrachte Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Die bei ihrer Einlegung hinsichtlich des Anfechtungsumfangs noch unbestimmte Rechtsbeschwerde ist mit ihrer Begründung im Schriftsatz des Verteidigers vom 05.11.2015 ausweislich des gestellten Antrags auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden (" ... und beantrage, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben ..."). Diese horizontale Beschränkung ist möglich (vgl. Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 79 Rdz. 32 m.w.N.), tatsächlich gewollt (a) und wirksam (b).

a) Ausweislich der Urteilsgründe hat der von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht durch seinen vertretungsbevollmächtigten Verteidiger (§ 73 Abs. 3 OWiG) seine Fahrereigenschaft eingeräumt und darüber hinaus zugegeben, "wohl zu schnell" gewesen zu sein. Allein die genaue Höhe der ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung wurde angezweifelt (UA S. 2). Dies im Blick wird deutlich, dass der sich allein aus § 24 Abs. 1 StVG i.V.m. § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO ergebende Schuldspruch, nämlich die "fahrlässige Nichtbefolgung eines durch Vorschriftszeichen angeordneten Verbots der Anlage 2 Spalte 3" (hier: Zeichen 274), der im Urteilstenor lediglich zum besseren Verständnis als "fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit" umschrieben wird, bereits in der Tatsacheninstanz infolge der teilgeständigen Einlassung des Betroffenen "unstreitig" war und deshalb mit dem Rechtsmittel auch nicht mehr angegriffen werden soll.

Die vom Betroffenen allein angezweifelte Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung ist hingegen, solange sich daraus keine Konsequenzen für die Abgrenzung zwischen Vorsatz oder Fahrlässigkeit ergeben, was hier nicht der Fall ist, nicht mehr Teil des Schuldspruchs (und gehört deswegen auch nicht in den Urteilstenor), sondern ist - wie etwa der Wert der Beute beim Diebstahl oder die Höhe des Betrugsschadens - zusammen mit der Feststellung, ob der Verstoß innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaft erfolgte, in erster Linie für die Rechtsfolgenentscheidung von Bedeutung, die sich hier aus § 24 Abs. 1, § 26a StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 BKatV und Nr. 11.3.6 der Anlage zu dieser Vorschrift ergibt.

Im Lichte dessen war es vordergründig auch konsequent, die Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken. Für den Senat aus den Gesamtzusammenhängen erkennbares Ziel des Rechtsmittels ist es allein, die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen zur genauen Höhe der Geschwindigkei...

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